Kunstgriff
ließ, beflügelte die Fantasie jedes Kriminalisten. Die Aussage der Freundin Mareike Reisinger führte nicht weiter. Er hatte ihr eine Erbschaft vorgegaukelt, die nach den Ermittlungen jedoch auszuschließen war. Blieb zunächst als weitere Erklärung das Glücksspiel. Im Wiesbadener Casino war Metten unbekannt. Zwei Kollegen waren abgestellt, um sich um die Spielbanken in Mainz und Bad Homburg sowie weitere legale und illegale Spielclubs zu kümmern. Dieser Sisyphusarbeit war er entronnen, doch auch die ihm und Luigi übertragene Aufgabe erwies sich als mühevoll und betraf die kriminellen Möglichkeiten in Mettens Berufsleben. Bisher ließen konkrete Ergebnisse auf sich warten. Falls Metten sich schmieren ließ und die eine oder andere Nachlässigkeit in den Restaurantküchen übersah, war er sehr geschickt vorgegangen, und die Gastronomen dachten im eigenen Interesse nicht daran, ihn nachträglich auffliegen zu lassen.
Wolfert erlaubte sich einen Seufzer. Ihn besorgte die Vorstellung, dass auch Luigi den einen oder anderen Gefallen annehmen könnte. Es ging nicht allein um das Essen beim Griechen Petrus. Ihn machten die verschwörerischen Blicke misstrauisch, die er zu erkennen glaubte, wenn sie die Spelunken aufsuchten, in denen der grantige Kommissar bekannt war wie ein bunter Hund. Mehrmals hatte er sich vorgenommen, mit Milano zu reden, bisher aber den Mut dazu nicht gefunden.
Wenn Milano recht behielt, führte der Korruptionsverdacht sowieso in eine Sackgasse. Er vermutete den Täter in Mettens privatem Umfeld, und hier verliefen die Ermittlungen nicht weniger zäh. Mit dem Winzerpaar kamen sie nicht weiter. Beide konnten ein Alibi vorweisen. Solveig Beber wohnte zur Zeit in Taunusstein-Wehen bei einer Freundin. Sie hatte den Wagen ihrem Mann überlassen und hätte sich das Auto der Freundin ausleihen müssen, um zum Tatort zu gelangen. Der Autoschlüssel befand sich angeblich die ganze Nacht in der Obhut der Freundin. Die zwei Frauen waren am Dienstagmorgen gegen 6.30 Uhr gemeinsam nach Wiesbaden zur Arbeit gefahren. Die Freundin hatte der Winzerin eine Stelle in einem Hotel vermittelt. Beide arbeiteten dort in der Küche und hatten diese zur Tatzeit nachweislich nicht verlassen.
Wolfert seufzte zum zweiten Mal und nahm zwei Schlucke Bier hintereinander. Rainald Bebers Alibi war lückenhaft. Er behauptete standhaft, die Tatzeit in seinem Haus im Rheingau verbracht zu haben – abgesehen von der halben Stunde zwischen 7.00 und 7.30 Uhr, während der er mit dem Hund draußen war. Für den Spaziergang führte er einen Zeugen an, ein Nachbar, der ihm unterwegs begegnet sein wollte. Wolfert wurde das Gefühl nicht los, dass der Zeuge dem Winzer einen Gefallen schuldig war. Für die Zeit davor, die Beber im Bett verbracht haben wollte, gab es keine Zeugen. Tatsache war, dass der Wagen des Winzers in der Werkstatt gestanden und der Besitzer auf einen Leihwagen verzichtet hatte. Wie also hätte er zur Platte kommen sollen? Ein Umstand, den er mit der Ehefrau gemeinsam hatte. Abgesehen davon fanden sich auf dem Weingut keinerlei Hinweise auf die Tatwaffe.
Einige Mitglieder der Mordkommission waren darauf angesetzt, in Pitt Mettens Privatleben weitere Hinweise aufzuspüren. Metten war über viele Jahre Leistungssportler und danach als Trainer im Triathlon tätig. Das legte den Gedanken an Doping nahe, und dass sich ein Sportler womöglich wegen krimineller Trainingsmethoden rächen wollte. Dagegen sprach, dass Metten seinen Trainerjob vor zwei Jahren niedergelegt hatte. Trotzdem eine Spur? Auf jeden Fall galt es, dem nachzugehen. Die dickste Fährte legte nach wie vor Ralf Reisinger, der Jäger mit der Neigung zum Bogenschießen, ohne dass es für einen Haftbefehl gelangt hätte. Man behielt ihn im Blick.
Betrübt stellte Wolfert fest, wie sich seine Gedanken im Kreis drehten, was er der Hitze und dem Alkohol zuschrieb. Das Glas war leer, und er vertrug nicht viel. Zeit zu gehen, bevor das Gewitter losbrechen würde. Er brachte das Bierglas in die Wirtschaft zurück und machte sich auf den Heimweg. Im Dämmerlicht stieg er den Fußweg zur Russischen Kirche hinunter und wanderte die Nerobergstraße hinab. Bis zu seiner Wohnung war es ein Fußmarsch von 20 Minuten. Erstes Donnergrollen war zu hören und ließ seine Bedenken steigen, ob er es im Trockenen schaffen könnte. Er war in der Taunusstraße angekommen, als sich sein Handy bemerkbar machte. Das konnte nur Luigi sein. Oder die Mordkommission. Womöglich
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