Kunstgriff
die Sorge, ohnmächtig auf das Parkett zu sinken.
Sie erhob sich. Das Paar wollte sich verabschieden.
Kurz darauf kehrte Undine zurück. »Lutz wird gleich hier sein. Ist dir nicht gut?«
»Alles in Ordnung. Hast du Regert erreicht?«
Dr. Regert zeige sich höchst interessiert an der ›Meditation‹, antwortete Udine zufrieden. Sie habe umgehend mit dem Anbieter, einem Schweizer Kunsthändler, gesprochen.
»Du hast Nora Baum einfach übergangen?«, fragte Norma verwundert. »Macht das den Händler nicht misstrauisch?«
»Keine Spur.« Undine erzählte, was sie dem Kunsthändler aufgetischt hatte. »Nora Baum ist eine gute Freundin, die sich inzwischen für ein anderes Objekt entschieden und aus lauter Freundschaft die Information an mich weitergegeben hat. Dem Schweizer ist es gleich, an wen er verkauft. Solange das Geld stimmt!«
Auf Regert komme außerdem eine Provision zu, die sie für sich aushandeln müsse, erklärte sie.
Inzwischen war es wenige Minuten vor 12 Uhr. Lutz und die beiden Kommissare trafen gleichzeitig ein. Sie waren sich im Hausflur begegnet und gemeinsam heraufgekommen. Die drei Männer kannten sich von einem Einsatz, an dem Norma unfreiwillig beteiligt war, und schienen sich seitdem gleichermaßen zu schätzen; so unterschiedlich die Charaktere auch waren. Undine gab Lutz mit gespitzten Lippen einen Kuss auf die Wange und nickte den beiden Polizisten abwartend zu. Norma ließ Lutz keine Chance, ihrer Umarmung zu entgehen, und schüttelte den ehemaligen Kollegen die Hand.
Milano versuchte vergeblich, das Schnaufen zu verbergen, zu dem ihn die Treppenstufen getrieben hatten. Tiefe Ringe unter den schwarzen Augen zeugten vom Schlafmangel.
Unvermittelt ging er zum Angriff über. »Warum sind wir hier?«
15
Wolfert sehnte sich nach einem doppelten Espresso. Er hatte schlecht geschlafen, war zu spät ins Bett gekommen. Entgegen seiner Gewohnheit hatte er sich von Milano zu einem Absacker überreden lassen und Gert, Sema, Eppmeier und andere Kollegen in eine Weinstube in der Altstadt begleitet. Das Gespräch kreiste um den Fall ›Bogenschütze‹, der sie selbst nach Feierabend nicht losließ. Später gesellte sich der Rechtsmediziner dazu. Außer Wolfert schien es niemanden zu überraschen, als sich der Doktor neben Sema auf die Bank drückte und die junge Frau stürmisch umarmte. Wolfert musste sich zwingen, den Blick abzuwenden. Irgendetwas schmerzte, und irritiert begriff er, dass es Eifersucht war. Nicht, weil Sema ihm mehr bedeutet hätte, als einer beliebten Kollegin gebührte. Dass jedoch ausgerechnet der blasse, wortkarge Doktor seine Liebe gefunden hatte! Unversehens fühlte Wolfert sich von der Furcht überwältigt, als alter Mann einsam und vergessen zu sterben. Es lag am Wein, der ihn rührselig machte. Er ließ den Rest stehen und ging als Erster. Zu Hause entkorkte er wider besseren Wissens ein ›Oestricher Lenchen‹ und grübelte bis nach Mitternacht über seinem Notizbuch.
Trotz der Erkenntnisse, die alle Mitglieder der Sonderkommission in Fleißarbeit zusammentrugen, ließ der Durchbruch auf sich warten. Normas Pfeilspitze hatte sie kurzfristig in Euphorie versetzt. Mit einer solchen Waffe war Metten ins Jenseits befördert worden: Die Form und die zwei messerscharfen Schneiden passten zur tödlichen Wunde. Außerdem hafteten am Metall winzige Holzsplitter der Art, die im Stichkanal gefunden wurden, der Mettens Brustkorb durchdrang. Splitter von Lärchenholz, aus dem der Pfeilschaft gefertigt war. Zur Enttäuschung aller trug die Metallspitze keinerlei DNA-Spuren vom Hauptverdächtigen Reisinger. Zwar fanden sich verwertbare Fingerabdrücke, die sich allerdings weder Reisinger noch einem anderen aus der Datenbank zuordnen ließen. Mit dem Einbruch kamen sie ebenso wenig voran. Es ließ sich kein Zeuge finden, dem ein sportlicher, dunkel gekleideter Mann aufgefallen wäre.
Eine Spur immerhin konnten sie vorweisen. Sema hatte herausgefunden, dass die Pfeilspitze aus den USA stammte und von einer Firma im Bundesstaat Wisconsin gefertigt wurde. Dort sei die Jagd mit Pfeil und Bogen eine zunehmend beliebte Variante, hatte sie in Erfahrung gebracht. Die Pfeilspitzen würden nicht ins Ausland verkauft. Reisinger hatte einige Jagdreisen in andere Länder unternommen – unter anderem in die USA, was für sich gesehen kein Verbrechen war.
Mit heimlichem Blick beobachtete Wolfert seine ehemalige Kollegin Norma, die am Fenster vor einem chromblitzenden Apparat stand, eine
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