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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Tasse nach der anderen auffüllte und sich zwischendurch umwandte, um den Nächsten nach seinen Wünschen zu fragen. Sie wird zusehends schmaler, stellte er fest, und wirkt verloren in der ausgestellten und von einem breiten Gürtel gehaltenen Leinenhose. Es berührte ihn, wie sie gestern bemüht war, ihren Schwächeanfall zu überspielen, und er hatte es längst aufgegeben, das Thema Therapie anzusprechen. Jeden vorsichtigen Versuch quittierte sie mit giftiger Ablehnung. Ihr Zustand gehe ihn nichts an, sie seien keine Kollegen mehr. Bevor sie so unverhofft im Kommissariat auftauchte, hatte er sie zuletzt beim Prozess gegen den Weinfestmörder gesehen, zu dem auch er und Milano als Zeugen geladen waren. Normas Gesicht damals – gezeichnet von Todesangst, gepaart mit triumphierender Genugtuung, überlebt zu haben – er würde es niemals vergessen.
    Rund um den Glastisch gab es nur vier Stühle, weshalb sich von den fünf anwesenden Personen niemand setzen wollte. Milano schlenderte missgelaunt vor den abstrakten Ölschinken auf und ab, die nach Wolferts Empfinden zu grell und zu groß ausgefallen waren. Wer um alles in der Welt hängte sich so ein Monstrum ins Wohnzimmer? Die Herrin dieser Schätze verharrte mitten im Raum und schaute mit hochmütig gespitztem Mund geradeaus, während der gut gekleidete Mann an ihrer Seite besänftigend auf sie einredete. Ludwig Wilhelm Tann, der bekannte Wiesbadener Verleger, war ein Mann nach Wolferts Geschmack: Sachlich, geradlinig und offenbar frei von jenem Dünkel, den die Galeristin innig zu pflegen schien.
    Damit war sie bei Milano an der richtigen Adresse! Er hatte ihrem Bericht, den Norma mit Einwürfen ergänzte, mit vorgetäuschter Gelassenheit zugehört, um schließlich auf die gewohnte Manier loszuschlagen. Gewohnt für Wolfert selbst und für Norma, weniger für den Verleger und die Kunsthändlerin.
    »Das ist allein meine Sache, ob ich einen Diebstahl anzeige oder nicht!«, verteidigte die Abendstern ihre Geheimniskrämerei.
    Wolfert schrieb mit, was sie in hastigen Sätzen zu berichten hatte. Nina Santini, die Tochter, trug den Namen ihres Vaters George Santini. Ein Weltbürger, so bezeichnete ihn die Galeristin: Der Vater Chilene, die Mutter Holländerin. Nach vielen Jahren im Ausland lebte er nun in Amsterdam. Die Tochter hatte die meiste Zeit ihres jungen Lebens in Internaten verbracht, diese immer wieder wechseln müssen, weil ›sie sich nicht einfügen wollte‹, wie die Mutter es formulierte.
    Im Gänsemarsch folgten sie der Kunsthändlerin durch alle Räume der Galerie und hinüber in die Wohnung, die auf derselben Etage lag und über einen eigenen Eingang verfügte. Im Schlafzimmer deutete Undine Abendstern auf die Stelle vor dem Bett, an der der Koffer mit dem Gemälde gestanden habe. Wolfert bat darum, den Kleiderschrank besichtigen zu dürfen. Die schmale Holztür führte in eine begehbare Kammer, die einer ganzen Räuberbande Unterschlupf geboten hätte.
    Auf Milanos Aufforderung schilderte Norma, wie sich der Diebstahl abgespielt haben könnte. Demnach legte einer der Diebe die Rauchbombe auf dem Dachboden und rief über das gestohlene Handy des Assistenten die Feuerwehr, während sich der Komplize in die Wohnung schlich und mit der Beute im Schrank versteckte, wo er nur so lange ausharren musste, bis sich die Lage beruhigt hatte, um sich dann mit dem Koffer davonzuschleichen. Undine Abendstern war unsicher, was die Wohnungstür betraf. Sie glaube zwar, sie zugezogen zu haben, konnte sich aber nicht genau erinnern. Feuer versetze sie in Panik, seit sie als Kind einen Brand miterleben musste, und, ja, das sei vielen Leuten in ihrem Umfeld bekannt, beteuerte sie.
    »Sie glauben also, der oder die Diebe vertrauten darauf, dass Sie in Ihrem Schrecken aus der Wohnung rennen und die Tür offen lassen?«, fragte Milano bissig.
    Die Galeristin schwieg und wechselte einen Blick mit Norma.
    »Nicht zwangsläufig«, antwortete Norma an ihrer Stelle. »Nina besitzt vermutlich einen Wohnungsschlüssel.«
    Undine Abendstern wirkte angegriffen, und der Verleger schlug vor, das Gespräch bei einem Kaffee fortzusetzen. Sie kehrten in die Galerie zurück, und Norma schritt zur Tat, wie es sich für eine Assistentin geziemte.
    Nun trug sie zwei Tässchen Espresso für Wolfert und Milano heran, der an das Fenster getreten war. Sie lächelte. »Eines solltet ihr unbedingt wissen: Ich nenne mich hier in der Galerie anders.«
    Milano blinzelte spöttisch. »Norma under

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