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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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würde.
    Bald darauf kam die Antwort. »Ich hab die Gegenforderung abgeschickt. Und jetzt?«
    »Ende der Aktion. Nimm das Handy mit und fahr nach Hause. Damit sind unsere Freunde am Zug.«

23
    Sonntag, der 22. Juni
     
    Am Sonntagmorgen betrat Wolfert um kurz nach 7 Uhr sein Büro. Er hätte sich Zeit lassen können, die Kollegen der Sonderkommission würden nach und nach bis 9 Uhr eintrudeln. Am zehnten Tag und dem zweiten Wochenende war das anfängliche Feuer einer beständigen Glut gewichen, und man durfte den Sonntag geruhsamer angehen. Der erste Weg führte ihn in die Teeküche. Genau genommen war es das Verlangen nach starkem Kaffee und einem Frühstück, das ihn so früh zur Arbeit trieb. In den vergangenen Tagen war er nicht zum Einkaufen gekommen und hatte, als er spät abends nach Hause kam, das restliche Brot und das letzte Stück Wurst verspeist. Erwartungsvoll griff er nach der Kaffeedose, die sich verdächtig leicht anfühlte. Leergeputzt – wie auch das Fach im Küchenschrank, in dem sich gewöhnlich ein Vorrat an altbackenen Brötchen, Kuchenresten oder Keksen finden ließ. Nicht einen Krümel hatten die Kollegen übrig gelassen. Über die Ernährung machte er sich wenig Gedanken. Er aß, wenn Zeit dafür war, und was auf dem Teller lag, kümmerte ihn kaum. Die Hose saß locker, sodass er einen Gürtel hatte anziehen müssen. Er brauchte unbedingt etwas in den Magen! Wäre er bloß an der Tankstelle vorbeigefahren.
    Ergeben setzte er sich an den Schreibtisch und nahm sich die Akte ›Reisinger‹ vor, um endlich seine Notizen zur Aussage der Verwandtschaft zu übertragen. Er hatte das Ehepaar am Dienstag im Krankenhaus befragt, war aber noch nicht dazu gekommen, die Akte zu vervollständigen. Reisinger war endgültig aus dem Schneider. Der Onkel, ein Bruder des Vaters, und dessen Ehefrau hatten seine Behauptungen in allen Details bestätigt, und es gab keinen Grund, die Glaubwürdigkeit des pensionierten Lehrerpaars anzuzweifeln. Betrübt hatte Wolfert den Verletzten gute Besserung gewünscht und sich beeilt, aus dem Krankenhaus herauszukommen. Er hatte noch niemals in einer Klinik gelegen und hoffte, so würde es für lange Zeit bleiben.
    Anderthalb Stunden arbeitete er konzentriert, bis das Magenzwicken nicht mehr zu ignorieren war und ihn zu Milanos Arbeitsplatz führte. Was für ein Chaos! Typisch Luigi. Und nichts anderes zu beißen als eine Hand voll zerbröckelter Butterkekse und ein angebrochener Schokoladenriegel, der den Abdruck kräftiger Schneidezähne trug.
    Angewidert drückte er die Schublade zu und griff nach dem Telefon. »Luigi? Ja, ich weiß, wie früh es ist. Bist du noch zu Hause? Gut! Kennst du einen Bäcker, der sonntags offen hat?«
    Luigi schmatzte ins Telefon. Er habe soeben eine Pfanne Eier mit Speck gefrühstückt, sei satt und zufrieden und sehe überhaupt keinen Anlass, den Umweg zur Bäckerei zu fahren. »Bin ich dein Dienstmädchen? Sieh zu, wo du was zum Futtern herkriegst!«
    Im Grunde war Milano gutmütig, ließ sich aber nur ungern drängen. Vor allem nicht am Sonntagmorgen. Wolfert beschloss, sich weiterhin mit Arbeit abzulenken.
    Irene Maibaum war die Zweite, die ihren Dienst antrat. Mit einem geschmetterten ›Guten Morgen‹ schwebte sie herein, eine schmale, unscheinbare Person mit großem Herzen und ansteckend guter Laune. Die Jahrzehnte im Polizeidienst hatten sie nicht mürbe gemacht. Trotzdem sprach sie in der letzten Zeit immer öfter von ihrem bevorstehenden Ruhestand. Nicht allein ihm würde sie fehlen.
    Irene spitzte den runden Mund, der ihr diesen staunenden Ausdruck verlieh. »Du hast mich neulich gebeten, einen Telefonanschluss zu überprüfen. Hier! Es ging leider nicht schneller.«
    Richtig! Der unbekannte Anrufer, der Mareike Reisinger nach dem Koffer gefragt hatte, rief er sich ins Gedächtnis.
    Sie schob einen Notizzettel über den Schreibtisch. Wolfert reckte den Hals: Eine Adresse in der Altstadt. Der Name und die Telefonnummer einer Gastwirtschaft.
    »Ein Münztelefon«, berichtete Irene. »Es hängt im Untergeschoss der Kneipe, und der Wirt wollte es längst abschaffen, weil es kaum benutzt wird. Am Montagabend hat es ausnahmsweise jemand gebraucht. Und den Anschluss von Peter Metten gewählt.«
    »Wann genau?«
    »Um 22.04 Uhr.«
    »Ausgezeichnet, Irene. Ich danke dir. Was weiß man über den Anrufer?«
    Sie hob ratlos die Schultern. »Der Wirt hat niemanden gesehen, behauptet er. Und die Bedienung auch nicht. Soweit die Auskunft am

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