Kunstgriff
du!«
Sie schlug das Hepa-Café mit der Rösterei vor in der Hoffnung, bei der Gelegenheit erneut auf die Kommissare zu treffen.
Eiko klang erleichtert. »Ich hatte befürchtet, ich hätte dich zu sehr mit meinem Gerede von den Morden über Kreuz gelangweilt.«
»Was sagst du da?«
»Ähm, dass ich dich gelangweilt habe.«
»Das andere!«
»Die Über-Kreuz-Morde?«
»Genau! Bis nachher!«
Das war es! Die Idee, die in ihren Träumen herumgespukt hatte. Mord über Kreuz nach Patricia Highsmiths Vorbild. Das Töten ohne eine Verbindung zum Opfer. Das perfekte Verbrechen. Hatte Daniel nicht sogar die DVD mit Hitchcocks Film im Regal stehen? Töte ich Pitt Metten, tötest du Rico Götz. Reisinger und Daniel. Zwei Mörder. Nur beweisen musste sie ihre Theorie noch!
31
Ihr blieben zwei Stunden bis zum Treffen mit Ehlers. Schon bedauerte sie die Verabredung. Was sollte es bringen, sich auf ihn einzulassen, anstatt sich mit den beiden Männern an ihrer Seite zu bescheiden? Lutz und Poldi, der väterliche Freund und der raubeinige Streuner, sollten dir genügen, dachte sie in einem Anflug von Sarkasmus. In Norma Tanns Leben fand ein Mann, der mehr wollte, keinen Platz. Höchste Zeit für die Notbremse.
Zudem hatte sie im Augenblick Wichtigeres im Kopf. Wie elektrisiert dachte sie über Daniel Götz und Ralf Reisinger nach. Als die beiden Damen am Nebentisch zahlten, verließ auch Norma das Museumscafé, kehrte zum Polo zurück und fuhr zur Wohngemeinschaft. Die Haustür ließ Daniel stets unverschlossen, damit seine Schützlinge ein und aus gehen konnten. Ebenso großen Wert legte er auf eine abgesperrte Wohnungstür, um die kleinen Langfinger draußen zu halten. Norma hatte bei ihrer Enttarnung den Wohnungsschlüssel abgeben müssen, sich aber rechtzeitig einen Ersatz besorgt. Von unterwegs rief sie in der Boutique an, verlangte Nina und legte auf, bevor das Mädchen am Apparat war. In Daniels Büro erhielt sie die Auskunft, er sei im Gespräch mit einem Elternpaar, und das würde dauern. Wachsam spähte sie in den Hausflur und schlich, als alles ruhig blieb, die Treppen hinauf. Oben drückte sie vorsichtshalber auf die Klingel und wartete einige Minuten, bevor sie die Tür aufschloss. Daniels Zimmertür war wie zu erwarten versperrt, und es ärgerte sie, dass sie sich dafür keinen Nachschlüssel hatte organisieren können. Auf Ricos Zimmertür klebten die Reste des Polizeisiegels. Die Tür war nicht abgeschlossen, und drinnen sah es aus, als steckte der Bewohner mitten im Umzug. Die Spurensicherung hatte zügig gearbeitet und das beschlagnahmte Eigentum bereits zurückgebracht, sich das Einräumen aber erspart. Sechs Kartons stapelten sich in Zweierreihen auf dem Teppichboden. Norma schaute den Inhalt durch. Als sie auf einen Aktenordner mit Ricos persönlichen Unterlagen stieß, setzte sie sich auf das Bett und blätterte die Papiere durch. Schulzeugnisse, die ersten Urkunden für sportliche Erfolge – alles nicht von Belang, bis ihr eine Lebensversicherung in die Hände fiel. Wer mochte begünstigt sein? Nina womöglich? Wo stand bloß der Name? Hier … nein, der Bruder.
Was für eine Überraschung! Der Zankerei zum Trotz erbte Daniel nicht nur das Haus, sondern erhielt zusätzlich 80.000 Euro aus der Lebensversicherung. Eine hübsche Summe, die für die notwendigsten Renovierungsarbeiten im Haus reichen sollten, in dem der glückliche Erbe von nun an allein bestimmen durfte. Der von Rico forcierte Hausverkauf fiele aus, und in Zukunft würde Daniel ungestört seiner wohltätigen Arbeit nachgehen können, die ihm die Anerkennung gab, die ihm so wichtig war. So etwas nannte man ein Motiv, und die Polizei würde dieselben Schlüsse ziehen, ohne Daniel etwas anhaben zu können. Dank des überzeugenden Alibis, das ihm Sabine verschaffte. Sie würde nicht für ihn lügen – so dicke waren die Liebesbande nicht gestrickt. Klug eingefädelt, Daniel Götz! Reisinger hat den Job für dich erledigt, so wie du für ihn gemordet und den lästigen Konkurrenten aus der Welt geschafft hast. Zufrieden packte sie den Ordner in den Karton zurück. Ihre verwegene Theorie nahm Konturen an.
Von der Entdeckung beflügelt, sah sie sogar das anstehende Treffen in milderem Licht. Ehlers wartete im Innenhof. Der Regen war der Sonne gewichen. Die Bedienung, eine junge Frau, rieb Tische und Stühle trocken und empfing Norma mit einem freundlichen Lächeln.
In Ehlers Blick lag aufkeimender Argwohn. »So gut gestimmt
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