Kunstraub im Städel
nichts aus Fehlern der Vergangenheit. Schon einmal war er mitsamt einer Hängematte abwärts gesegelt. Das war zwar schon ein paar Jährchen her, aber noch so frisch in seinem Gedächtnis, als wäre es gestern erst passiert. Dementsprechend umsichtig ging er zu Werke. Nachdem er die Hängematte mittels einem von Jupp geborgten Seil an der Kastanie befestigt hatte, schaute er sich um. Doch nichts in seiner Reichweite schien für sein Vorhaben geeignet zu sein. Da fiel ihm der Sackkarren an der Rezeption ein.
Vollgepackt mit Hansa-Bier-Kartons kehrte er zurück. Nach und nach hievte er sie in die Hängematte. Herr Schweitzer schätzte, dass das Gewicht noch zu gering war, und legte den Ersatzreifen aus seinem Twingo dazu. Sicherheitshalber hob er die Hängematte etwa dreißig Zentimeter an und ließ sie dann los. Nichts passierte. Das Seil straffte sich, hielt aber der Belastung stand. Er ging ein paar Meter zurück, um zu überprüfen, ob sie einigermaßen gerade hing.
Als er mit abschätzendem Blick in der Sonne stand und sein Meisterwerk in Augenschein nahm, kam Tobi vorbei und sagte: „Das Bier hat’s aber gut bei dir. Ich würde noch einen Sonnenschirm aufspannen, sonst schwitzt es. Und dann tut es nicht schmecken.“
Herr Schweitzer konnte sich nicht vorstellen, in welchem Zustand man bei Hansa-Bier überhaupt von Schmecken reden konnte.
„Und? Was ist mit dem Geldeintreiber? Hat er die Mäuse von dir bekommen?“
„Wie denn?“, entgegnete Herr Schweitzer, „greif mal einem nackten Mann in die Tasche.“
„Wenn der das nächste Mal hier auftaucht und dir den Arsch aufreißen tut, sag mir Bescheid. Ich puste ihn dann weg.“
„Ich weiß. Hab gehört, du hast eine Knarre.“
„Aber klar doch, Kumpel. Hihihi.“ Mit einem verschmitzten Grinsen holte Tobi die Waffe aus dem hinteren Hosenbund und zeigte sie voller Stolz.
Herr Schweitzer trat näher, um sich das alte Schießeisen mal aus der Nähe anzusehen, schließlich bekam man nicht alle Tage die Gelegenheit auf einen Gratis-Lehrgang in antiker Waffenkunde.
Doch Tobi zeigte ihm die kalte Schulter: „Nee, nee. Nix da. Bin mir noch nicht sicher, ob du zu denen gehörst.“
„Zu wem?“
„Na, zu denen eben.“
„Ach so, zu denen.“
„Genau.“
Da Tobis kryptische Äußerung aber von einem begehrlichen Blick auf die gemütlich in der Hängematte schaukelnden Hansa-Bier-Kartons begleitet wurde, überkam Herrn Schweitzer eine vage Ahnung: „Magst du ein Bier? Ich geb eins aus.“
„Och. Wenn du mich soo fragen tust …“
Wie hatte er denn gefragt? Gab es denn überhaupt eine Möglichkeit, die Frage so zu formulieren, dass Tobi ein Hansa-Bier mit Entschiedenheit zurückgewiesen hätte? Wohl kaum, sagte sich Herr Schweitzer, griff in den Karton und überreichte Tobi eine Dose. „Hier. Lass es dir munden. Prost.“
„Und du?“
Herr Schweitzer erschrak heftig. Das heimtückische Gift steckte ihm noch in den Knochen und war von der Leber noch nicht restlos abgebaut. Er hatte vor, sich noch ein paar Jährchen auf dieser Welt zu vergnügen. Hansa-Bier hatte in seinem Lebensplan keinen Platz. Die Geschmacksnerven hätten einen Krieg angezettelt. Und das teilten sie ihm auch mit, indem sie die Botschaft an die Magensäfte sandten, sich doch mal schnell zu übergeben. Mit eisernem Willen konnte er sich gerade noch beherrschen. „Ach nein, Tobi. Die Geschmäcker sind verschieden.“
Tobi runzelte die Stirn, schien zu verstehen, sah erst konzentriert auf die Dose und dann zu Herrn Schweitzer. „Wie? Das Bier tut dir nicht schmecken? Aber wieso das denn? Tust du was am Magen haben?“
Dankbar nahm er den Ball auf: „Genau, Tobi. Mein Magen ist das reinste Schlachtfeld. Leber, Nieren, der Darm – alles kaputt. Mein Arzt sagt, wenn überhaupt, dann darf ich nur noch Wein trinken. Und davon ganz wenig. Zwei, drei Gläser am Tag, maximal.“
Herr Schweitzer war mächtig stolz auf sich. Gerade eben hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens: Nie mehr Hansa-Bier. Zweitens: Ein leckeres Weinchen stattdessen. Und da er schon mal dabei war, nutzte er seine Glückssträhne: „Hab ich dir schon das Foto mit meiner Nichte gezeigt?“
Tobi: „Du tust eine Nichte haben? Ach, wie schön. Ich hab niemanden mehr.“ Um seiner mageren Familienbiografie ein wenig Trost zu spenden, nahm er einen tiefen Schluck aus der Dose. Daraufhin rülpste er.
Der Sachsenhäuser Detektiv kramte die von Marlon Smids Computerfreak angefertigte
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