Kunstraub im Städel
Morgen, unschuldig die Sterne anschnarche.
„Ich … ich … ich“, stammelte Herr Schweitzer und schon wieder fiel ihm rein gar nichts ein.
Am anderen Ende der Leitung erklang ein sehr fröhliches Lachen. Ein kraftvolles Lachen von mindestens zwei Menschen. Wahrscheinlich Kurt, der Panzerknacker, dachte Herr Schweitzer und fühlte sich erwischt. Obwohl niemand in der Nähe war, errötete er gar sehr.
Smid, nachdem er sich etwas beruhigt hatte: „Du, Simon, im Schuppen … Also, die Bilder waren nicht da, aber …“
Herr Schweitzer wurde hellhörig: „Ja?“
„Also, wie gesagt, keine Bilder. Aber dafür so Gerätschaften, die, wenn mich nicht alles täuscht, zum Tunnelbau benötigt werden. Spaten, Körbe, Spitzhacken und so Zeug halt. Aber, das wollte ich gar nicht sagen.“
„Was’n?“
„Die Diebe haben sich gemeldet. Sie wollen Lösegeld.“
„Uff.“ Uff war zwar auch keine sehr professionelle Interpretation der Dinge, aber immerhin. Herr Schweitzer setzte noch einen drauf: „Puh.“
„Und da ist noch was.“ Es folgte eine kleine Pause. Danach: „Oh, Akku leer. Hörst du mich noch?“
„Ja.“
„Bald nicht mehr. Pass auf, da ist noch was ganz Komisches. Ich komme um drei bei dir vorbei. Tschömidö.“
Tschömidö ist auch so eine der seltsamen Hinterlassenschaften von Napoleons Europareisen. Tschö ist dem italienischen Ciao verwandt und mi dö heißt mon dieu, also
mein Gott
. Und weil der gemeine Hesse bereits mit Hochdeutsch überfordert ist, sollte man auch sein Französisch nicht allzu pedantisch mit der Waagschale messen.
Herr Schweitzer jedoch war nun restlos bedient. Nicht nur, dass er nicht so recht wusste, inwiefern die Tatsache, die Diebe haben sich nun gemeldet, seine Anwesenheit hier noch erforderlich machte, sondern auch, dass da laut Meisterdetektiv noch was ganz Komisches sei, beschäftigte ihn. Er sah auf die Uhr. Noch vier Stunden, bis Marlon kam.
Er ging in den Bauwagen und kam mit einer geschälten Banane wieder heraus. Sein Frühstück. Mehr war nicht da. Herr Schweitzer kam sich vor wie auf glühenden Kohlen. Endlich kam Bewegung in die Sache. Und er war zur Untätigkeit verdammt. Er steckte sein Handy ein, schloss die Tür ab und machte sich auf den Weg nach Niederrad. Dort hatte er letztens einen Italiener gesehen. Der sah von außen ganz nett aus. In einer halben, spätestens jedoch in einer Stunde würde es dort was Feines zu essen geben. Das war ganz wichtig, wollte man im Einsatz sein Bestes geben. Vielleicht ging ja bald alles Schlag auf Schlag und zur Nahrungsaufnahme blieb keine Zeit mehr. Vielleicht …
–
Das Tomaten-Basilikum-Mozzarella-Spießchen als Vorspeise war ein Traum, die Penne mit Salsiccia ein Gedicht und die Balsamico-Heidelbeer-Creme etwas für echte Feinschmecker gewesen. Für Herrn Schweitzer gehörten solcherlei kulinarische Genüsse zum Leben wie die Sütterlinschrift zur Ahnenforschung. Er nahm sich vor, seine Liebste demnächst mal in diesen Premium-Italiener zu entführen.
Rundum zufrieden kehrte er zum Campingplatz zurück. Ein Mittagsschläfchen lohnte sich nicht mehr und so widmete er sich seinem Zukunftsprojekt Hängemattenbeistelltisch. Als Erstes notierte er sich, welche Funktionen unbedingt zu beachten seien. Als da wären: Abstellflächen für Glas, Flasche, Zigarettenschachtel, Aschenbecher und Feuerzeug, Haken und Halter für Handtuch, Klamotten, Sonnen- und Lesebrille, Buch und/oder Zeitung.
Als er glaubte, an alles gedacht zu haben, begann er mit der Zeichnung. Das größte Problem dabei war, die Form des Beistelltischs an der Hängematte und ihrem Pendelverhalten auszurichten. Obendrein musste bei den Berechnungen die Höhe der Hängematte über dem Boden sowie ein gegebenenfalls mächtig nach oben ragender Bauch des Benutzers – er dachte an sich selbst – mit einbezogen werden. Herr Schweitzer löste dieses Problem, indem er eine vertikale Verstellbarkeit der Höhe in die Technik mit einfließen ließ. Ein Kunstgriff, der selbst ausgebuffte Maschinenbauingenieure hätte vor Neid erblassen lassen.
Das mit dem Zeichnen allerdings war bei Herrn Schweitzer so eine Sache. Als Künstler war er nämlich noch nie einen Schuss Pulver wert gewesen. Dementsprechend grausam, ja eigentlich undechiffrierbar waren die Versuche eins bis fünfzehn. Bei Versuch Nummer sechzehn konnte man zumindest die Hängematte als solche erkennen, allerdings erinnerte der Hängemattenbeistelltisch noch stark an eine von Amateurhand
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