Kunstraub im Städel
Meisterdetektiv. Dann begab er sich wieder mit Feuereifer an den Prototypen seines Hängemattenbeistelltischs. Er wollte mit der Arbeit noch so weit wie möglich vorangeschritten sein, bevor er sich um den Panzerknacker zu kümmern hatte. Herr Schweitzer fragte sich, wo er hier gelandet war.
–
Beim Thema Zufall gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen empfinden es schon als solchen, wenn man einen Nachbarn nach zwei Wochen, in denen man sich nicht mehr über den Weg gelaufen war, zufällig beim Metzger wieder trifft. Für andere fängt Zufall erst dann an, wenn man einem ehemaligen Jura-Kommilitonen, der vor dreißig Jahren die Dreadlocks noch bis zum Hosenbund trug, auf dem Inka-Trail in spießbürgerlicher Wolfskin-Kluft und kahlköpfig holterdiepolter über die Füße latscht. Dabei besagt die Zufallsforschung, dass ein Nicht-Eintreffen von Zufällen über einen längeren Zeitraum ein noch größerer Zufall sei als ein gelegentliches Eintreffen von Zufällen. Verstanden?
Zufall hin, Zufall her. Jedenfalls befand sich Konstantinos Tziolis zufällig und just zu dem Zeitpunkt, als sich Herr Schweitzer auf der Leiter der Hängemattenbeistelltischkonstrukteure immer weiter nach oben arbeitete, nur einen erbärmlichen Brückenschlag von ihm entfernt, im wahrsten Wortsinn. Während der Sachsenhäuser Gelegenheitsdetektiv vielleicht hundert Meter von der über dem Universitäts-Klinikum befindlichen Eisenbahnbrücke entfernt am südlichen Mainufer vor sich hin werkelte, genehmigte sich Konstantinos Tziolis vor dem Luxus-Kiosk mit dem geheimnisvollen Namen Orange Beach einen Longdrink, wobei über seinem Kopf Züge hinwegdonnerten. Ein Spaziergang von höchstens zwanzig Minuten trennte die beiden auf verschiedenen Seiten des Gesetzes und Flusses stehenden Personen. Der Eine suchte den Anderen, während der Andere nicht wusste, wer ihn gerade suchte, nur dass ihn demnächst ganz viele suchen würden – aber erst, wenn die Gemälde wieder im Städel und Konstantinos Tziolis schon lange, so hoffte er, über alle Berge war.
Natürlich war die Verzögerung mit dem bescheuerten Fälscher ärgerlich gewesen. Andererseits, so sagte sich Konstantinos, ist die Vorfreude auf das zu erwartende Geld etwas, mit dem man sich abfinden konnte. Außerdem wertete er die verstrichene Zeit, in der keine Handschellen klickten, als gutes Omen. Die Bullen tappten also nach wie vor im Dunkeln. Von ihm aus konnte es so bleiben, auch wenn die bald bevorstehende Übergabe des Lösegeldes ein weiteres, nicht unbeträchtliches Risiko darstellte. Für Konstantinos aber war die Sache so gut wie gelaufen, immerhin war mit dem Tunnelbau, dem Raub und der geglückten Flucht zum Campingplatz Gaul der anstrengendste und gefährlichste Teil der Arbeit bereits erledigt. Und für die Geldübergabe hatte er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht.
Konstantinos Tziolis nippte an seinem Drink und schmunzelte, als er das Geschehen noch einmal Revue passieren ließ. Die Bombe! Was hatten sie doch für einen Riesenmassel gehabt. Weder er noch Benny hatten sie erkannt. Wegen ein paar fehlender Zentimeter mussten sie auf dem Rückweg mit dem größten der Gemälde noch ein wenig Erdreich von der Tunnelwand kratzen. Und waren dabei auf dieses große, komische Stück Metall gestoßen. Benny und er hatten es für einen Teil des Kanalsystems gehalten, auf den sie beim Bau des Tunnels vom Gelände des Ruderclubs aus schon nach wenigen Metern getroffen waren und wegen dem sie erst noch etliche Meter Richtung Main – und logischerweise auch wieder zurück – graben mussten, ehe sie zum Keller des Städel gelangten. Im spärlichen Licht der Taschenlampen war ein Erkennen auch sehr schwer gewesen, sagte sich Konstantinos. Gott sei Dank. Er wusste nicht, wie seine oder Bennys Reaktion ausgefallen wäre, hätten sie die alte Weltkriegsbombe als Weltkriegsbombe identifiziert. Vielleicht wären sie Hals über Kopf geflohen und hätten die Bilder im Tunnel zurückgelassen. Auch das wertete Konstantinos Tziolis als gutes Zeichen. Wie er überhaupt ein recht positiv denkender Mensch war.
Er stellte das leere Glas auf den Tisch und bestellte sich beim Wirt, der gerade auf seiner Runde des Aschenbecherleerens vorbeikam, einen neuen Drink. 400.000 Euro. 200.000 für ihn und derselbe Betrag für Benny. Das war Joeys Idee gewesen. Nicht übertreiben! Denn je mehr Geld sie kassierten, desto mehr Bullen wären hinter ihnen her, logisch. Deswegen, und nur deswegen, auch die
Weitere Kostenlose Bücher