Kunstraub im Städel
sollte.
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Kurt, der Panzerknacker, kam um siebzehn Uhr dreizehn. Kurt war kein Mann großer Worte. Nach einem kurzen „Hallo“ baute er sein Zelt auf.
Herr Schweitzer beobachtete ihn mit zur Seite geneigtem Kopf. Alles war neu und sah ziemlich teuer aus. Iglu-Zelt, Schlafsack und Steppdecke. Sogar an eine Thermoskanne, selbstverständlich aus blitzendem Edelstahl, hatte Kurt gedacht.
Als das Zelt endlich stand und der Campingplatz-Frischling es auf Unwettertauglichkeit – er rüttelte mehrmals und mit voller Kraft an den Zeltstangen – geprüft hatte, breitete er noch allerlei Gegenstände auf dem Rasen aus, von denen er wohl annahm, dass sie zum Überleben in der Wildnis unabdingbar waren.
Kurzum, Herr Schweitzer war ebenso beeindruckt wie irritiert. Er überlegte, ob man als erfolgreicher Panzerknacker grundsätzlich übertriebene Akribie zu seinen Eigenschaften zu zählen hatte, denn auch Kurts Freizeitkleidung sah aus wie gerade erst erworben. Als allerdings noch ein Tortenheber zum Vorschein kam, änderte er seine Meinung. Fortan war Kurt nicht mehr nur ordentlich, sondern auch bescheuert. Freunde würden sie in diesem Leben, so dachte unser Sachsenhäuser, bestimmt nicht mehr werden.
Immerhin wurde er dann zum Kaffee eingeladen. Nachdem Kurt aus einer Pappschachtel eine halbe Schwarzwälder Kirschtorte gehievt hatte, änderte Herr Schweitzer seine Ansichten über Überlebensstrategien in der Fremde. Tortenheber waren gar nicht so unnütz, wie es der erste Anschein suggerierte. Obendrein mundete ihm das Törtchen vorzüglich und eine gewisse Trauer überkam ihn, weil er gut und gerne noch eine weitere Portion hätte vertilgen können.
„Gut“, sagte Kurt nach dem letzten Bissen unvermittelt. „Und jetzt zum Geschäft. Wie teilen wir die Wachen ein? Ich schlage vor, du löst mich ab, sobald es dunkel wird. Um drei weckst du mich. Ich übernehme und du gehst schlafen. Ist das in Ordnung für dich?“
„Passt schon“, antwortete Herr Schweitzer leichthin. Besser als anders rum, überlegte er, dann kann ich wenigstens ausschlafen. Schlafunterbrechungen hasste er nämlich wie die Pest. „Ich geh mir noch ein bisschen die Beine vertreten.“ Sprach’s und stand auf. „Danke für Kaffee und Kuchen.“
„Bitte.“
Herr Schweitzer war froh, nicht mehr Kurts Nähe spüren zu müssen. Der Kerl war ihm unangenehm. Bis zur Wachablösung waren es noch dreieinhalb Stunden. Er ging an der verlassenen Rezeption vorbei. Als er das obere Ende der Auffahrt erreicht hatte, konnte er durch den Zaun und das Gebüsch sehen, wie sich Ratte und Ina seinem Bauwagen, und damit auch Kurt, näherten. Hihi, dachte Herr Schweitzer schelmisch, da stimmt die Chemie. Zwei Punker und ein Ordnungsfanatiker, wenn das mal hinhaut.
Mit der Straßenbahn fuhr er ins Weinfaß, seine Stammkneipe. Muss mich da mal wieder sehen lassen, die denken sonst, ich sei tot.
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Konstantinos hatte das Treiben durch sein Fernglas verfolgt. Am Anfang war er ob des neuen Gastes, der dort sein Zelt aufschlug, noch misstrauisch gewesen und hatte ihn keinen Augenblick aus den Augen gelassen, jede seiner Bewegungen aufmerksam beobachtet. Als jedoch Kaffee und Kuchen verteilt wurden, brach er die Aktion ab. So verhalten sich einfach keine Typen, die uns auf dem Kieker haben, schlussfolgerte er. Etwas mehr, aber auch nicht allzu viel Kopfzerbrechen bereitete ihm da schon diese seltsame Punker-Clique. Die hatten einfach keinen geordneten Lebensrhythmus. Kamen und gingen, wie es ihnen gerade passte. Doch auch dies dürfte Benny und ihn nicht vor sonderlich große Probleme stellen, schließlich hatten sie die ganze Nacht Zeit.
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Herr Schweitzer konnte sich, wenn’s darauf ankam, zusammenreißen wie kein Zweiter. Oder, na ja, wie fast kein Zweiter. Nur einen einzigen herben Rotwein hatte er sich gegönnt. Und gebabbelt, endlich mal wieder richtig gebabbelt. Mit Bertha, der ältlichen Wirtin, Buddha Semmler, dem kauzigen Apfelweinkellner, und noch einigen anderen seiner zahlreichen Sachsenhäuser Kumpels, die mal kurz reinschauten. Aber über seine Mission: kein Sterbenswörtchen. Diesbezügliche Fragen hatte er ebenso vage wie kurz angebunden abgeschmettert. Ein Profi durch und durch, dieser Herr Schweitzer.
Als er sich schon von allen verabschiedet und seinen Wein bezahlt hatte, kamen noch zwei befreundete Streifenpolizisten, mit denen Herr Schweitzer in der Vergangenheit schon die eine oder andere Nacht zum Tag gemacht hatte, auf ein
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