Kunterbunte Tiergeschichten
den ganzen Morgen den Kopf nach
uns verrenkt und stand keine Sekunde still in seiner Box. Hexe und
ich hatten jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass Silver plötzlich mit
großem Getöse über seine Futterkrippe sprang und im nächsten Augenblick erregt schnaubend vor unseren Boxen stand. Nun bekamen
wir es doch mit der Angst zu tun und zogen uns schnell in die äußerste Ecke zurück. Von dem Lärm aufgeschreckt, kam Udo in den Stall
gelaufen. Er konnte gar nicht glauben, was er dort sah. Mit großer
Mühe und vielen beruhigenden Worten ließ Silver sich endlich in
seine Box zurückbringen. Hexe und ich atmeten auf. Das war noch
einmal gut gegangen. Wir nahmen uns vor, Silver nicht mehr so oft
schöne Augen zu machen, denn nun hatten wir hautnah erlebt, wozu
er in seinem jugendlichen Leichtsinn fähig war.
Um dem vorzubeugen, fing Udo in den kommenden Tagen mit Silvers Erziehung und Ausbildung an. Wenn Hexe und ich auf der Wiese waren und uns das saftige Gras schmecken ließen, musste Silver
auf dem Reitplatz an der Longe schwitzen. Wir sahen wohl seine
sehnsüchtigen Blicke, die immer wieder zu uns herüberschweiften,
doch Udo bemerkte es auch und verstand es, Silvers Aufmerksamkeit
auf seine Arbeit zu lenken. Ab und zu, wenn sein Temperament wieder mit ihm durchging, konnten wir nicht anders, als staunend seinen
Verrenkungen zuzusehen. Da Silver nicht dumm war, hatte er schnell
begriffen, worauf es beim Longieren ankam. Kurze Zeit später wurde
ihm zum ersten Mal ein Sattel aufgelegt. ‚Jetzt wird es wieder spannend‘, dachte ich. Doch nichts geschah. Silver buckelte nicht, kein
bisschen, er zog brav mit dem Sattel auf dem Rücken seine Runden.
Na, so was! Wenn ich an mein erstes Mal denke, mit diesem Ding
auf dem Rücken, meine ich, dann schäme ich mich noch heute. Ich
hatte dabei so gebuckelt, dass mein Körper in kurzer Zeit pitschnass
war. Es dauerte eine Weile, bis ich endlich begriffen hatte, dass so ein
Sattel ganz harmlos war. Jedenfalls freuten wir beide, Hexe und ich,
uns immer wieder auf diese interessante Show mit Silver.
Es wurde nie langweilig, dabei zuzusehen. Manchmal hatten Maya,
Mirja und Sheela auch dieses Glück, Silvers Ausbildung beobachten zu können. Sie waren froh, dass sie so etwas nicht mitmachen
mussten. ,,Wir lassen uns gut am Strick führen, wir gehen brav in
unsere Boxen und raus auf die Weide und lassen uns putzen, ohne zu
bocken. Mehr müssen wir nicht können“, schnaubten sie selbstbewusst und kauten genüsslich ihr Heu. Hexe, ich und Silver konnten
uns das Lachen kaum verkneifen, als wir das hörten.
Nach einigen Wochen fing Inka an, Silver unter Udos Leitung zu reiten. Auch dabei zeigte der Hengst sich von seiner besten Seite, denn
er hatte wieder schnell begriffen, worauf es ankam. Auch Sina fasste
sich ein Herz und ritt Silver, doch zunächst nur an der Longe. Brav
zog er mit ihr seine Kreise auf dem Reitplatz oder auf der Wiese.
Langsam konnte ich nicht mehr mit ansehen, wie Sina ihn tätschelte
und lobte. „Sina ist meine Reiterin“, stellte ich abends im Stall klar.
Silver dachte sich wohl sein Teil, denn er schnaubte nur zustimmend.
Einige Zeit später wurde Silver kastriert. Wisst Ihr, was das heißt?
Jetzt ist er kein Hengst mehr, sondern ein Wallach und kann keine
Fohlen mehr machen. Traurig für ihn, aber nicht für uns. Wir müssen
nun keine Angst mehr haben, auch wenn er uns mal sehr nahe kommt.
Ein paar Tage ging es ihm gar nicht gut. Er tat uns allen leid, als er
mit hängendem Kopf in seiner Box stand. Wir wieherten ihm alle
freundlich zu, um ihn aufzumuntern, doch viel half es nicht. Er hatte
sicher Schmerzen, der arme Kerl. Doch von Tag zu Tag ging es ihm
endlich besser, und dann durfte er auch wieder stundenweise auf die
Wiese. Irgendwann, als seine Wunde verheilt war, ging der Ernst des
Lebens dann auch für ihn wieder weiter.
Langweilig wurde es nie für uns im Stall, denn wenn die Mädchen
und Sina kamen, war immer etwas los. Auch die Ausritte mit ihnen
waren toll und abwechslungsreich. So verging die Zeit, und eines
Tages wurde Silver von einer jungen Frau für ihre kleine Tochter
gekauft. Dort hat er es sicherlich so gut wie bei uns. Es hat uns jedenfalls leid getan, als Silver den Hof verließ.
Danach kamen die Andalusier in unseren Stall. Bevor ihr danach
fragt: Das sind Pferde, die aus Spanien stammen und wunderschön
aussehen Jetzt waren vier Pferde, zwei Hengste, Sam und Dieter, und
zwei
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