Kunterbunte Tiergeschichten
Einige Tage später kamen Udo und Christa (so hieß seine Frau) zu
uns in den Stall. Sie putzten uns und spannten uns wieder vor die
Kutsche. Ich bemühte mich wirklich, ruhig zu gehen, die Befehle
gewissenhaft auszuführen, denn Christa sollte mich nur von meiner
besten Seite kennenlernen. Aber bei Goody ging sofort die wilde
Jagd weiter. Wir preschten mit ihnen in der Kutsche über die Wiese,
über Maulwurfhügel und durch langes Gras. Und bevor wir uns in
die nächste Kurve legten, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Christa
mit einem gewagten Satz von der Kutsche sprang und auf dem Misthaufen landete. „Oh, liebe Zeit, hoffentlich ist ihr nichts passiert“,
dachte ich noch erschrocken. Dann hatte Udo uns wieder im Griff
und die Kutsche im letzten Augenblick vor dem Umkippen bewahrt.
Als Christa sich mühsam aufrappelte, den Mist von ihrer Kleidung
klopfte, sich abtastete, ob auch noch alles heil geblieben war, standen
wir schon wieder ganz brav, als wäre nichts weiter passiert. Zum ersten Mal bekamen wir Schimpfe, und ich schämte mich wirklich sehr,
dass wir uns so benommen hatten.
,,Wenn wir weiter fahren wollen, müssen wir eben mit euch üben,
üben, üben“, meinte Udo. Er konnte schon wieder lachen. „Vor allen
Dingen müsst ihr regelmäßig geritten werden. Aber es ist schließlich
noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Da waren wir endlich mal
einer Meinung. Wo er Recht hatte, hatte er Recht.
Nun wurden wir wirklich regelmäßig geritten, und es machte nicht
nur den Mädchen Spaß, die zu uns zum Reiten kamen, sondern auch
uns. Wir wurden von ihnen geputzt und gepflegt, und unser Fell
glänzte immer mehr. Nur Goody wurde immer zickiger, er wollte sich
einfach nicht freiwillig, ohne zu murren, die Hufe auskratzen lassen.
Er stieg, bockte herum oder wollte sich einfach hinlegen. Jedes Mal
musste Udo kommen und diese Arbeit übernehmen, was ihm schließlich äußerst lästig wurde. „Irgendetwas Schmerzhaftes, das er nicht
vergessen konnte, muss Goody irgendwann einmal zugefügt worden
sein“, ging es mir durch den Kopf. Ich konnte schon gar nicht mehr
hingucken, wenn er sich so benahm. Er durfte einfach nicht so weitermachen, sonst wird er sicher bald wieder gehen müssen. Wenn die
Mädchen ihn ritten, stellte er sich nicht so an, das hatte auch er gern.
Warum konnte er nicht immer so umgänglich sein wie beim Reiten?
Wir beide verstanden uns zwar gut, aber sich mir anvertrauen, das
wollte er nicht. „Na gut“, dachte ich, „dann muss er die Suppe eben
selbst auslöffeln.“
Nach ein paar Monaten hatte Udo die Nase von ihm voll und ließ
Goody von dem Händler wieder abholen. Schade, er passte so gut zu
mir, und ich mochte ihn auch schon ein wenig. Meine Probezeit war
nun auch zu Ende. Ich durfte bleiben. Ich war einfach nur glücklich!
Nun ritt mich auch Christa ab und zu, und ich bemühte mich, ordentlich zu gehen und mich von meiner besten Seite zu zeigen. Sie war ja
nicht mehr die Jüngste, und ich wollte nicht, dass sie von meinen Rücken fiel und sich womöglich einen Knochen brach. Den Nachmittag
mit ihr zu verbringen, das war zwar nicht so aufregend wie mit den
Mädchen oder mit Inka, dafür aber umso inniger. Ich liebte das ausgiebige Putzen, die Unterhaltung mit ihr und natürlich die Leckerlis
und die Äpfel, die sie mir dabei regelmäßig zusteckte. Hierbei erfuhr ich auch die neuesten Familiengeschichten, die selbstverständlich unter uns bleiben sollten. Keiner würde sie je von mir erfahren.
(Naja, vielleicht könnte ich sie doch mal Maya, Mirja und Sheela
erzählen. Als Betthupferl sozusagen.)
Wieder einige Wochen später kam eine junge vierjährige Ponystute
zu uns, die Hexe hieß und sich auch zuerst so benahm. Meine Güte,
hatte ich zu tun, um ihr auf der Wiese ihre Mucken auszutreiben und
ihr begreiflich zu machen, wer hier das Sagen hatte. Nämlich ich,
Cherie! Von Tag zu Tag verstanden wir uns aber besser, und als Inka
sie eingeritten hatte, wurde auch sie mehrmals in der Woche von den
Mädchen oder von Inka geritten. Hexe lernte sehr schnell. Bald schon
konnte sie mit uns ins Gelände kommen, denn sie war nervenstark
und hatte vor nichts Angst. Um ehrlich zu sein, ich hatte kein so gutes Nervenkostüm. Mich erschreckte beim Ausritt schon das kleinste Geräusch. Und wenn mir irgendetwas nicht geheuer vorkam, war
Hexe diejenige, die mir Mut zusprach, obwohl sie noch so jung war.
Auch auf der Wiese verstanden wir uns
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