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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Militärdienst hatte er eine technische Ausbildung angefangen, aber die war ihm nicht interessant genug. Das Einzige, was ihn interessierte, war seine Musik. Jaska wusste wohl selbst, dass er musikalisch nicht besonders begabt war. Trotzdem hatte er lange davon geträumt, ein Rockstar zu werden. Von Jahr zu Jahr war der Traum fadenscheiniger geworden. Und doch versuchte er immer noch, an seiner Illusion festzuhalten, anstatt sich einzugestehen, dass er ein dreißigjähriger alkoholisierter, berufloser musikalischer Dilettant war.
    Obwohl Jaska nicht der Typ war, der sich mit Frauen anfreundet, waren wir in der Schule ganz gute Kumpel gewesen. Ich kannte seine Wutausbrüche und wusste, dass er in dem Zustand sehr wohl imstande gewesen wäre, seine lachende Schwester von der Turmbrüstung zu schubsen ‐umso mehr, wenn er betrunken war. Vielleicht erinnerte er sich nicht mal an seine Tat. Oder wollte sich nicht erinnern.
    Nun war ich also wieder so weit, der Reihe nach Freunde und Bekannte zu verdächtigen. Jaska, Ella, Johnny … wen noch? Hinter dem Hügel tauchte der Turm wieder auf, er würde den Rest des Weges bis ins Zentrum von Arpikylä über uns wachen. Meritta war an der öffentlichsten Stelle der Stadt ums Leben gekommen. War es möglich, dass niemand etwas gesehen hatte?
    «Wie geht es deiner Mutter und Aniliina?», fragte ich, als ich wieder in die Hauptstraße einbog.
    «Mutter war erst hysterisch, dann hat sie angefangen, Pläne für die Beerdigung zu machen. Ich glaube, die Frau ihres Bruders und meine andere Schwester kommen morgen, um sie zu trösten. Und Aniliina … ich weiß es nicht. Jedenfalls war sie nicht zu überreden, bei uns zu übernachten, sie wollte zu Hause bleiben.
    Vielleicht kommt ihr Vater her, wenn ihn jemand erreicht.»
    «Ist sie jetzt ganz allein?»
    «Nee, die Kaisa Miettinen ist bei ihr. Das ist die Einzige, die Aniliina an sich ranlässt.»
    « Seit wann ist Aniliina magersüchtig? »
    «Letzten Sommer war sie noch so ʹn kleines Pummelchen. Nicht direkt fett, bisschen zu große Titten und breiter Arsch. Dann wurde sie plötzlich immer weniger. Im Frühjähr war sie ʹne Weile im Krankenhaus, weil sie überhaupt nichts mehr gegessen hat. Vielleicht wird sie jetzt wieder gesund, wo die verrückte Kuh weg ist. Ich hab mal im Fernsehen was gesehen, da haben sie gesagt, dass Magersucht von ʹner schlechten Mutterbeziehung kommt», erklärte Jaska fröhlich.
    «Wieso ist noch keiner draufgekommen, dass Hämorrhoiden durch ein schlechtes Verhältnis zur Mutter verursacht werden», fauchte ich, als Jaska mich bat, ihn beim Kupferkrug abzusetzen.
    Auf dem Revier saß nur noch Lasarov, die anderen waren unterwegs, um die Partygäste zu befragen. Ich aß ein übriggebliebenes, längst kalt gewordenes Stück Salamipizza, hinterließ eine Nachricht für Koivu und fuhr nach Kuusikangas. Mikko brauchte etwas zu fressen, denn ich würde wahrscheinlich bei meinen Eltern im Sommerhaus übernachten. Der Gedanke an Sauna, ein paar kalte Bierchen und das gute Essen meiner Mutter war verlockend. Und ich freute mich darauf, meinen elfmonatigen Neffen Saku zu sehen.
    Mikko strich mir um die Beine, als wäre ich tagelang weg gewesen. Ich schaufelte ihm fast ein Pfund Delikatesskatzenfutter in die Schüssel und stellte eine Schale Milch dazu. Das Klofenster ließ ich einen Spaltbreit offen, damit er im Notfall nach draußen konnte. Eine Sommernacht unter freiem Himmel würde er wohl überleben. Ob Einstein in Inkoo Mäuse gefangen hatte? War Antti in Chicago mit seiner Arbeit vorangekommen? In zwei Monaten würde er zurückkommen. Er hatte versprochen, die letzten Wochen meiner Vertretung bei mir in Arpikylä rumzuhängen.
    Ich betrachtete meinen linken Ringfinger. Brauchte er Ringe? Antti war der Meinung, wenn wir weiter zusammenleben wollten, könnten wir ebenso gut heiraten. Der Gedanke, einen Brautschleier zu tragen, kam mir so dämlich vor, dass ich laut auflachte. Mikko sah mich beleidigt an.
    «Verrückte Katze, ich lach nicht über dich.» Außerdem würde ich gar keinen Schleier tragen, Antti war ja nicht mal in der Kirche. Standesamt und normale Kleidung, das ginge vielleicht gerade noch …
    Ich fuhr auf Nebenstraßen zum Sommerhaus meiner Eltern am Seeufer, nicht durchs Zentrum. Ich vermied bewusst, am Polizeigebäude vorbeizufahren, denn die Versuchung, anzuhalten und zu fragen, ob sich etwas Neues ergeben hatte, war zu groß. Auf dem letzten Stück spielte ich Mika Häkkinen, es machte

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