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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Antikainen und Järvi auf den Turm, Koivu und ich folgten, blieben aber auf dem vorletzten Treppenabsatz stehen.
    Koivus blonde Haare waren zerzaust, er sah müde aus, wie ein Bärenjunges, das man aus dem Schlaf gerissen hat.
    «Scheiße, ich hatte erst anderthalb Stunden geschlafen, als Järvisalo anrief. Du hast sicher noch nicht gehört, was letzte Nacht in Joensuu los war? Eine riesige Schlägerei, Somalis gegen Skinheads. Zum Glück hat es keine Toten gegeben, aber drei von jeder Seite liegen im Krankenhaus. Ich hab die Typen die ganze Nacht verhört. Die Somalis sind bestimmt auch keine Engel, sicher gibtʹs bei denen auch Schmarotzer, aber diese Skins kann ich einfach nicht begreifen. Einer von denen hat mir allen Ernstes erklärt, Hitler wäre ein toller Kerl gewesen. Dabei bin ich extra aufs Land gezogen, weil ich dachte, hier gäbe es keine Bekloppten!»
    «Und ich dachte, hier gäbe es keine Morde, jedenfalls keine, in die meine Bekannten verwickelt sind. Und jetzt… » Ich wusste nicht recht, wie ich mich ausdrücken sollte. «Die Flöjt hatte was mit einem Mann, der … in den ich früher in der Schule wahnsinnig verliebt war. Und mit ihrem Bruder habe ich damals in der gleichen Band gespielt.»
    Ella wollte ich nicht erwähnen, bevor ich mich vergewissert hatte, dass der Kalevala-Schmuck wirklich ihr gehörte. Koivu grinste müde und legte seinen Arm um meine Schultern.
    «Das werden wir schon schaffen, wir sind doch ein Superteam.»
    «Wo bleibt ihr denn?» Antikainens Kopf erschien in der Turmluke, Koivu ließ mich so plötzlich los, als hätte er etwas Verbotenes getan. Antikainen sah uns mit einem seltsamen Blick an, hielt aber zum Glück den Mund.
    Oben auf dem Turm war es windig, Wölken zogen auf, nach Norden hin war die Sicht schon ziemlich trüb: Im Südwesten klaffte der Bergwerksteich wie eine Wunde, an seinem nördlichen Rand, wo früher der Turm des Bergwerks Mökkivaara gestanden hatte, war nur noch eine Grube zu sehen. Die Hüttengesellschaft hatte vor ein paar Jahren versucht, das Gelände zum Preis von einer Mark loszuschlagen, aber natürlich keinen Käufer gefunden: Der Boden sackte ab, und die Auffüllung hätte Millionen verschlungen. Die Hüttengesellschaft wollte ihr Geld nicht in Instandsetzungsarbeiten investieren, die ihr nichts einbrachten, sondern zog es vor, den Turm zu sprengen. Die Landschaft sah irgendwie verwüstet aus, wie ein Gesicht, in dem ein Auge fehlt. Dem Turm von Keretti, der in der Ferne aufragte, stand das gleiche Schicksal bevor. Zum Glück hatte Kivinen das Alte Bergwerk gerettet.
    «Die Flöjt soll die Angewohnheit gehabt haben, auf dem Geländer da zu sitzen», sagte ich zu Järvisalo. «Vielleicht ist sie doch bloß runtergefallen.»
    «Aufgrund der Prellungen ist Turunen anderer Ansicht.»
    «Für die finden wir vielleicht eine Erklärung, wenn wir die Gäste von gestern Abend befragen.» Ich wunderte mich, dass Järvi und Antikainen immer noch hier oben standen, es wäre viel nützlicher gewesen, die Leute zu vernehmen.
    «Vielleicht saß sie auf dem Geländer, der Mörder versuchte sie runterzustoßen, und dabei kam es zum Kampf», überlegte Koivu. «In dem Fall würde es keine Rolle spielen, wie groß oder wie stark der Mörder oder die Mörderin war. Ich meine … Wenn beide hier gestanden haben, und die Flöjt hat sich gewehrt, dann hat es wohl einige Kraft gekostet, sie über das Geländer zu hieven. Wollen wir es ausprobieren, Maria? War die Flöjt nicht ungefähr so groß wie du?»
    «Ein bisschen größer, aber schmaler. Ungefähr mein Gewicht, würde ich sagen.»
    Koivu und ich führten einen Probekampf, der damit endete, dass er mich mit dem Kopf nach unten über die Brüstung hielt. Der gelbe Sand schien furchtbar weit weg, aber er rief mich hinab, vom Turm in den Schoß der Erde. Ich überlegte, ob Meritta so dagehangen und versucht hatte, sich an ihren Gegner zu klammern, oder ob sie sich verzweifelt am Geländer festgehalten hatte, während sich jemand mit aller Kraft bemühte, ihren Griff zu lösen … Ich wollte schreien.
    Hatte Meritta geschrien? Glaubte sie einen Moment zu fliegen, als sie fiel?
    « Koivu, Schluss jetzt! »
    Mir war schlecht. Ich musste mich auf die Bank auf dem Treppenabsatz setzen, tief Luft holen, warten, dass meine Beine aufhörten zu zittern. Die anderen sprachen davon, essen zu gehen, und ich merkte, dass ich auch Hunger hatte.
    Järvi schlug vor, Pizza aufs Revier zu bestellen. Danach würden er, Antikainen

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