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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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der vielleicht seine Geliebte umgebracht hatte …
    Zum Teufel, weg mit diesen Gedanken! Ich tauchte wieder in den zwanzig Grad warmen kleinen See, in dem wie jeden Abend kleine Fische sprangen. Eine hoffnungsfrohe Seeschwalbe setzte ihnen immer wieder nach. Nach einigen vergeblichen Versuchen flog sie mit funkelnder Beute im Schnabel davon.
    Als meine Eltern aus der Sauna kamen und Saku eingeschlafen war, kam das Gespräch zwangsläufig auf Merittas Tod.
    «Ich mache mir wirklich Sorgen um Aniliina», sagte Mutter, während sie frischgeräucherten Fisch auf eine Platte legte. «Das Mädchen hat es schwer genug. Ein intelligentes Kind ‐ das war Meritta übrigens auch ‐, aber in mancher Beziehung ganz anders als ihre Mutter.»
    Meine Eltern, die seit mehr als dreißig Jahren an der einzigen Mittelschule von Arpikylä, später dann am Gymnasium unterrichteten, waren wandelnde Lexika, was die Bevölkerung von Arpikylä und ihre Angelegenheiten betraf. Fast alle Einwohner der Stadt, die jünger als fünfundvierzig waren, hatten mindestens bei einem von beiden Unterricht gehabt, und inzwischen hatten sie schon Schüler in der zweiten Generation. Vielleicht ging meine Neigung, in den Angelegenheiten anderer Leute zu wühlen, auf die Gespräche am Abendbrottisch zurück, bei denen die dramatischsten Ereignisse des Tages und ihre Gründe durchgekaut wurden: Ab und zu war uns Mädchen der Beruf unserer Eltern auch auf den Wecker gegangen; wir konnten zum Beispiel nie die Schule schwänzen und mussten uns anhören, wir bekämen nur deshalb gute Noten, weil wir Lehrerkinder wären. Im Übrigen hatten wir unsere Position schamlos aus-genutzt, unter anderem hatten wir heimlich die Englisch arbeiten unserer Schwärme gelesen, manchmal hatte ich Johnnys Ergüsse sogar mit dem Wörterbuch studiert. Mutter hätte uns sicher den Hals umgedreht, wenn sie es gewusst hätte.
    «Aniliina kommt trotz ihres Krankenhausaufenthalts mit dem besten Notendurchschnitt der ganzen Schule in die Oberstufe», sagte Vater. «Fast nur Einser.»
    «Letztes Jahr hat sie den finnischen Schülermalwettbewerb gewonnen, sie schlägt ihrer Mutter nach. Und ihrem Vater wohl auch, sie spielt sehr schön Geige», fuhr Mutter fort.
    «Hört sich schlimm an», grinste ich. «Sind es nicht meistens die übergewissenhaften und überdurchschnittlich intelligenten Mädchen, die Magersucht kriegen?»
    «Ich habe mit Meritta darüber gesprochen, als Aniliina krank wurde. Sie ist ja in meiner Klasse», sagte Vater. «Und wir hatten in den letzten Jahren erschreckend viele ähnliche Fälle an der Schule. Sehr gute Schülerinnen meistens. Meritta schien der Meinung zu sein, dass der Druck der traditionellen Frauenrolle und des heutigen Schönheitsideals die Krankheit auslöst.»
    «Ja, das ist eine der Theorien. Wir haben bei uns auch anorektische Schülerinnen», warf Eeva ein. «Interessiert sich denn Aniliinas Vater überhaupt nicht für seine Tochter?»
    «Er will wohl herkommen, aber im Moment leistet ihr Kaisa Miettinen Gesellschaft. Kaisa und Meritta waren offenbar gut befreundet. Irgendwie seltsam, nach außen hin wirken sie so verschieden», sagte ich.
    «Beide nehmen das, was sie tun, jedenfalls ernst», meinte Vater. «Hoffentlich wird Kaisas Vorbereitung auf die EM dadurch nicht beeinträchtigt, «Kaisa hat wahnsinnig gute Nerven, nicht? Letztes Jahr bei der WM war sie vor der letzten Runde Zweite, und dann warf diese Deutsche noch ein paar Zentimeter weiter, wisst ihr noch? Da hat Kaisa beim letzten Wurf nochmal zehn Zentimeter zugelegt und hatte die Silbermedaille in der Tasche.
    Ich finde, sie ist immer total ruhig, außer bei den Interviews.»
    Gerade Kaisas ruhiges Wesen und ihre Schweigsamkeit schienen die Reporter zu faszinieren. Über ihr Privatleben sprach sie nicht, auch auf neugierige Fragen, ob sie einen Freund hätte, reagierte sie nur mit einem kühlen Lächeln. Beim Empfang des Präsidenten am Unabhängigkeitstag war sie, so wurde berichtet, vor den tanzwütigen Kadetten geradezu davongelaufen. Aber beim Wettkampf war manchmal eine andere Kaisa zu sehen, eine Frau, die mit dem konzentrierten Ausdruck einer Jägerin den Speer warf, eine Frau, die ungehemmt über ihre Silbermedaille jubelte. Mir fiel wieder ein, mit welcher Heftigkeit Kaisa Johnny gefragt hatte, ob er ein Verhältnis mit Meritta hätte. Warum hatte Johnny gelogen?
    War Kaisa in ihren Vetter verliebt? Der Gedanke kam mir urplötzlich, schien mir aber sofort plausibel. Trainierte

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