Kupferglanz
Spaß, das Heck des alten Lada ausbrechen zu lassen. Der Staub wirbelte auf, und die Kühe applaudierten.
Als ich zum Sommerhaus abbog, ging mir auf, dass bei Meritta keine Handtasche gefunden worden war. Seltsam. Eine Frau, die sich die Augenlider sorgfältig mit goldenem Lidschatten bemalte, nahm doch wohl etwas mit, um ihr Make-up im Lauf des Abends aufzufrischen. Irgendwo hatte sie ja auch die Schlüssel zum Turm gehabt. Wo war die Handtasche hingeraten?
Meine Eltern hatten kein Telefon im Sommerhaus, das Rätsel der Handtasche musste also bis morgen warten. Ich parkte Penas Lada hinter dem roten Opel meiner Eltern. Ich war kaum ausgestiegen, als Saku schon mit überraschender Geschwindigkeit auf mich zutrippelte.
Das arme Kind schien die Stupsnase der Kallios geerbt zu haben; im Gesicht eines knapp Einjährigen nahm sie sich allerdings recht hübsch aus. Ich hob Saku auf die Schultern und trug ihn zurück zu dem Sandhaufen, wo er mit meinem Vater gespielt hatte. Mutter und Eeva saßen in der Hollywoodschaukel.
«Wo ist Jarmo? » Eevas Mann war nirgends zu sehen.
«Er ist in Joensuu geblieben. Seine Firma hat ausländische Gäste, mit denen muss er in die Sauna. Du hast es ja doch pünktlich geschafft! » Eeva strickte an einem kleinen hellblauen Baumwollpulli, Mutter umhäkelte ein Laken. Ich war mit dem Hammer geschickter als mit der Häkelnadel, aber immerhin hatte ich das Strümpfestopfen gelernt.
«Wann geht Saku schlafen?»
«So gegen neun.»
«Na, dann kann ich ja noch ein Stück joggen. Soll ich vorher in der Sauna Feuer machen?»
«Das brennt schon. Habt ihr über Merittas Tod schon was herausgefunden? Timo Antikainen war vorhin bei uns und hat uns vernommen.»
«Da es um einen ungeklärten Todesfall geht, werden alle Gäste befragt, reine Routine. Wir wollen wissen, wann und warum Meritta auf den Turm ging, von dem sie heruntergestürzt ist.»
«Unfall oder Mord?», fragte Eeva neugierig.
«Das wissen wir noch nicht», wich ich aus.
«Meine Schwester, die heldenhafte Polizistin, klärt wieder mal einen Mord auf», frotzelte Eeva. «Warum hält niemand mich für eine Heldin, wenn ich brav Sakus vollgeschissene Windel wechsle, bevor ich die erste Tasse Kaffee getrunken habe
? »
«Für mich bist du eine Heldin», lachte ich. «Ich lauf jetzt los, hoffentlich darf ich danach mit Saku in die Sauna.»
Auf dem Waldweg war es still, vom Vogelgezwitscher abgesehen. Nur ein einsamer Frosch sprang vor meinen Füßen in den Graben. Nach ein paar Kilometern machte es sich bemerkbar, dass ich in der letzten Nacht nur vier Stunden geschlafen hatte. Meine Beine waren wie Blei, ich atmete schwer. Ich verlangsamte das Tempo und machte schließlich früher kehrt, als ich vorgehabt hatte. Trotzdem hatte das Laufen eine beruhigende Wirkung. In den letzten vierundzwanzig Stunden war viel zu viel auf mich eingestürmt, jetzt kam es mir vor, als wäre meine ganze Energie erschöpft.
Ich tauchte kurz in den See, bevor ich in die Sauna ging. Sakus Saunabad bestand darin, dass er auf dem Fußboden in der größten Waschschüssel saß, die im Haus aufzutreiben war, und mit Wasser um sich spritzte. Wenn der Aufguss auf den Steinen zischte, lachte er laut. Sauer wurde er erst, als ich ihn nicht an meiner Bierflasche nuckeln ließ.
«Das Kind könnte mir gefährlich werden», sagte ich zu Eeva, als wir im Vorraum saßen und Saku abtrockneten. Der Knirps sah uns unter der Kapuze seines Handtuchs aus leicht schläfrigen Augen an.
«Kriegst du Lust auf so eins? Nur zu. Oder hat Antti was dagegen?»
«Eher ich. Das stellt das Leben doch ziemlich auf den Kopf.»
«Aber wennʹs erst mal da ist, gewöhnst du dich an die Veränderung. Saku, eigentlich kannst du gleich deinen Abenddrink nehmen.» Eeva zog das Kind an die Brust, und Saku lächelte zufrieden, bevor er den Mund um die Brustwarze schloss und mit seiner Mutter verschmolz. Ich beobachtete die Symbiose mit leichter Verwirrung. Seltsame Vorstellung, dass ein anderer Mensch seine Nahrung direkt aus mir bekommen sollte.
«Du sollst gestern leidenschaftlich mit Johnny getanzt haben», neckte mich Eeva.
«Mutter sagt, seiner Frau hätte das gar nicht gefallen.»
«Die lassen sich doch scheiden. Stellt euch nicht so an, ich kann doch wohl tanzen, mit wem ich will!» Saku ließ die Brust los, erschreckt durch meine wütende Stimme. Meine Familie schien zu glauben, dass ich bereit war, Antti den Laufpass zu geben. Wegen irgendeinem Johnny Miettinen, wegen Johnny,
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