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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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müssten nur ein zweites Demo machen, aber dafür brauchen wir noch ein bisschen mehr Geld. Na, vielleicht kann ich das ja auftreiben.» Jaska hatte heute wieder seinen optimistischen Tag. Ich nickte und hoffte, dass wenigstens ein Teil seiner Story der Wahrheit entsprach.
    «Ich hab morgen vielleicht was mit dir zu bereden, ich muss nur erst noch was nachprüfen», sagte er, als wir am Eingang des Restaurants angekommen waren.
    Eine bösartige Erregung lag auf seinem Gesicht. In der Personaluniform des alten Bergwerks, braunen Jeans und einem kupferfarbenen Seidenhemd mit goldglänzendem Schlips, sah er befremdlich sauber aus. Aber der Geruch war unverkennbar Jaska. Ein Geruch nach Zigaretten, schmutzigen Haaren und ungeputzten Zähnen, der mich an irgendetwas erinnerte.
    «Wenn du etwas zu sagen hast, sagʹs mir jetzt gleich! »
    «Tag, Maria.» Kivinen war an der Tür aufgetaucht, was Jaska veranlasste, ebenso unvermittelt zu verschwinden wie auf der Party am Freitag. « Gehen wir gleich nach unten? »
    Der Eingang zum Museumsschacht war in den nordwestlichen Abhang gesprengt worden. Ein grasbewachsener Pfad führte dorthin, den Tausende von Touristen bald platt treten würden.
    «Der für das Publikum geöffnete Teil geht nicht sehr tief hinunter, aber besondere Gäste können wir mit dem Aufzug bis in zweihundert Meter Tiefe bringen», erklärte Kivinen. Als wir den Museumsschacht betraten, reichte er mir den schon bekannten gelben Helm. Auch diesmal war keine Lampe dran.
    Der Publikumsschacht war eine Enttäuschung. Die Wände waren mit Beton verstärkt, auf dem Boden lag trockener Sand, der Weg war mit elektrischen Lampen viel zu hell ausgeleuchtet.
    Die Besucher brauchten sich nirgendwo zu bücken. Im Gang waren verschiedene Werkzeuge ausgestellt, in Vitrinen an den Wänden hingen Informationen über das Bergwerksleben. In einer Ecke stand eine lebensgroße Bergmannsfigur mit einem Bohrer in der Hand. Als wir näher kamen, brach plötzlich ein höllischer Lärm los. Die Figur bewegte sich, sie bohrte tatsächlich in der Wand! Zum Glück dauerte der Krach nur zehn Sekunden.
    «Das jagt einem schon einen Schrecken ein», stellte ich fest.
    Auf Kivinens Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck. «Das soll es auch. Die Arbeit hier unten war kein Zuckerlecken.»
    «Dein Vater hat hier gearbeitet? »
    «Fast vierzig Jahre lang. Er hat mit sechzehn angefangen und mit dreiundfünfzig Erwerbsunfähigkeitsrente bekommen. Sie haben natürlich behauptet, er hätte den Lungenkrebs vom Rauchen gekriegt.» Kivinens Stimme versagte. Sein Schatten wurde durch die Lampe hinter uns weit nach vorn geworfen, eigentümlich verzerrt und in die Länge gezogen. Ich überlegte, ob hinter Kivinens umfangreicher Geschäftstätigkeit vielleicht doch reine Sentimentalität steckte, der Wunsch, seinen Vater nachträglich für die Schufterei im Bergwerk zu entschädigen, den Bergleuten und ihrer Arbeit Anerkennung zu erweisen.
    Vielleicht wurde Kivinen nicht nur von Geldgier getrieben.
    Ich wunderte mich kein bisschen über Kivinens Drang, etwas herzumachen. Bei vielen meiner Freunde hatte ich diesen Wunsch beobachtet, als gemachter Mann in das bedrückende Arpikylä zurückzukehren. Und in Kivinens Jugend war die Hierarchie in der Stadt garantiert noch rigoroser gewesen als zu unserer Schulzeit. Selbst in den siebziger Jahren herrschte noch eine strenge Kasteneinteilung. An der Spitze standen die Herren von der Bergwerksgesellschaft, die Direktoren und Diplomingenieure.
    Nach ihnen kamen die anderen akademischen Berufe, Ärzte, Gymnasiallehrer und Pfarrer. Auch im Lehrerzimmer hatten sich die Ingenieursgattinnen dem Vernehmen nach für etwas Besseres gehalten.
    Die Kinder der Bergleute gehörten zur untersten Kaste. Von ihnen wurde gar nicht erst erwartet, dass sie gut in der Schule waren, schon gar nicht, dass sie aufs Gymnasium gingen. Es war völlig klar, dass der Schwedischlehrer sich keine Mühe zu geben brauchte, ihnen die Sprache einzubläuen ‐ wozu brauchte ein Arbeiter Schwedischkenntnisse. Ende der Siebziger, als das Bergwerk seine Tätigkeit reduzieren musste und versucht wurde, andere Industriebetriebe in die Stadt zu ziehen, hatte sich die Kasteneinteilung allmählich gelockert. Trotzdem hatte Kivinen ein kleines Wunder vollbracht, indem er von ganz unten bis an die Seite des Stadtdirektors aufgestiegen war.
    Der Museumsschacht endete in einem großen Gewölbe mit Stühlen und einer Leinwand für Diavorführungen. Ich hatte

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