Kupferglanz
keine Lust, mir Dias anzusehen, aber Kivinen winkte mich nicht etwa in den Gang, der nach oben führte, sondern fragte: «Möchtest du mit dem Aufzug nach unten fahren?»
Eigentlich wollte ich nicht, ich erinnerte mich zu gut an die Dunkelheit und die feuchte Stille. Aber ich erinnerte mich auch an Merittas Gemälde, an die aus der Schwärze aufsteigenden Farbtöne, und nickte.
«Wir nehmen ein paar Lampen mit. Es wäre zu mühselig, die normalen Touristen nach unten zu verfrachten, aber ehrlich gesagt bekommt man nur dort einen Eindruck von der echten Bergwerksatmosphäre.» Kivinen führte mich durch eine schwere Eisentür in ein weiteres Gewölbe, an dessen Ende sich ein knarrender gelber Aufzug befand. Er fasste etwa zehn Personen.
Durch das Fenster im Aufzug sah ich die Schachtwand und die rostige Leiter, die an ihr entlanglief.
«Der Notausgang», erklärte Kivinen. «Damals in den Fünfzigern ging der Aufzug ungefähr einmal im Jahr kaputt, mein Vater und dein Onkel Pena mussten ein paar Mal die Leiter raufklettern. Wie gehtʹs Pena übrigens ? », fragte er gerade in dem Moment, als der Aufzug knirschend mitten in der Finsternis zum Stehen kam.
«Wieder schlechter, er wird künstlich beatmet.»
Kivinen hielt mir die Tür auf und leuchtete mit seiner starken Taschenlampe in den Schacht. Ich trat lustlos in den Lichtkegel. Kivinen reichte mir auch eine Lampe. Ich knipste sie an und ließ das Licht über die schwarzen, hier und da funkelnden Wände streifen. Mir fiel ein, was Matti über den Phosphor gesagt hatte. Der Gang führte abwärts, weiter unten schien er sich zu gabeln. Man hatte große Nägel in die Wände getrieben und ein Seil daran befestigt. Hoffentlich waren die Batterien in Kivinens Taschenlampe in Ordnung. Das Licht des Aufzugs blieb hinter uns zurück, als wir den Gang betraten. Er würde doch nicht abfahren?
Kivinen erklärte, dass wir uns rund hundert Meter unter Meereshöhe befanden und nach Norden gingen, in Richtung Sportplatz und Gesundheitszentrum. Der Schacht war eins der ersten Erzvorkommen, die um 1910 abgebaut wurden.
Obwohl Kivinen gedämpft sprach, hallte seine Stimme von den Wänden wider.
Die Feuchtigkeit drang mir allmählich durch die Kleider, und ich war froh, dass ich eine Baumwollhose und einen langärmligen Blazer anhatte. Wenigstens gab es keine größeren Pfützen, sodass ich mit trockenen Füßen davonkam.
Wir gelangten zur Gabelung: Kivinen deutete nach rechts.
«Der führt an den Rand des Einsturzgebiets. Da gehen wir besser nicht hin.» Er machte die ersten Schritte in den linken Gang, als meine Frage ihn stoppte.
« Da hat Meritta gemalt ? »
Kivinens Gesicht lag im Schatten, aber seine Stimme klang verärgert.
«Genau da. Sie musste sich unbedingt die gefährlichste Stelle aussuchen. Da hinten am Rand des Einsturzgebiets liegt ein tiefer Teich, der sie fasziniert hat.
Sie wollte den Lichtschein auf dem Wasser und die Reflexe an den Wänden malen. Total verrückt so was, da darf auf keinen Fall jemand rumlaufen.»
«Warum hast du sie denn dann hingehen lassen?»
«Ich wusste doch nicht, dass sie so weit reinwollte! Ich hatte ihr ausdrücklich verboten hinzugehen! Da ist seit dreißig Jahren niemand mehr gewesen.»
Irgendetwas an diesem Gang zog mich an. Gleich am Anfang schien er schmaler zu werden und scharf nach rechts abzubiegen. Er wirkte wie ein Hort der Dunkelheit und der Stille, an dem nichts, was oben auf der Erde existierte, Wirk-lichkeit besaß. Irgendwo aus der Tiefe drang das ruhige, unbeirrbare Geräusch tropfenden Wassers.
Kivinens Schritte waren verstummt. Ich richtete meine Taschenlampe auf ihn, bekam ihn aber nicht gleich in den Lichtkegel, denn er hatte seine eigene Lampe ausgeknipst. Ein kalter Wassertropfen fiel von der Decke auf meine Wange. Mir schauderte. Im Licht meiner Lampe sah ich, wie Kivinen an seiner eigenen herumfummelte. Sie ging an, aber gleich darauf wieder aus.
«Verdammt nochmal, wieso geht die ausgerechnet jetzt kaputt? Na, da muss ich wohl die kleine nehmen.»
Ich machte kehrt und folgte ihm, nach einer Weile tauchte der dünne, flackernde Strahl einer normalen Taschenlampe auf. Dieser Gang war schmal, aber eben und deutlich trockener als die früheren.
Im kühlen Gang spürte ich die Wärme, die Kivinen ausstrahlte. Es war ein sonderbares Gefühl, mit einem völlig fremden Menschen in dieser Dunkelheit zu sein.
«Hier habe ich mich manchmal mit Meritta getroffen», sagte er plötzlich und leuchtete eine
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