Kupferglanz
alle fünf die letzte Zeile, in die Grube nie, und unser Lachen klang etwas wehmütig. Als Halbwüchsige hatten wir uns eingebildet, wir hätten wirklich die Wahl, wir könnten aus unserem Leben machen, was immer wir wollten. Alles läge vor uns, wenn wir nur erst aus Arpikylä raus wären.
«Jetzt was Wldes!», forderte Jaska, als wir aufhörten, John Fogerty nachzueifern.
Wr spielten ein paar frühe Songs von Eppu Normaali und Pelle Miljoona, mit denen der junge Keyboarder überhaupt nichts anfangen konnte. Dann setzte sich Johnny auf die Tischkante und spielte wieder und wieder das gleiche Motiv aus zwei Akkorden. d-Moll, C, d-Moll. Ich hörte einen Moment zu, dann setzte ich auf meinem Bass mit dem Grundmotiv ein und leitete zur Melodie über.
«Are you going to Scarborough Fair … » Johnnys Stimme war plötzlich wieder knabenhaft rein. Ich sang mit,« Scarborough Fair» war eins der wenigen Stücke, die ich immer mit Johnny gesungen hatte. Gerade dieses Lied hatte ich immer mit Johnny verbunden, jedes Mal, wenn ich es hörte, musste ich an ihn denken, an Johnny Guitar mit den sensiblen Fingern. Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden, von dem konzentrierten und zugleich nachdenklichen Gesicht, von den Händen, die die Gitarre zupften. Sie waren wie früher, auch wenn die Jahre die Knöchel und die Adern am Arm hatten hervortreten lassen. Ich wünschte mich an die Stelle der Gitarre. Dann sah ich das Pflaster an der rechten Hand, und der Zauber verflog.
Pasi erklärte, er müsse jetzt gehen.
«Wolltest du was Bestimmtes, Maria? Komm mit in den Kupferkrug auf ein Bier, da können wir uns Kaisas Wurf im Fernsehen angucken», schlug Jaska vor.
«Nee, ist nicht so wichtig.» Ich wollte nicht mehr in die Polizistenrolle schlüpfen, auf meinen Verdächtigungen rumreiten und uns allen die Stimmung verderben. Ich wollte nach Hause gehen und mir wenigstens für kurze Zeit einbilden, dass alles so war wie früher. Ich wollte vergessen, dass ich nicht mehr daran glaubte, dass Lieder die Welt verändern können.
Hätte ich nur gewusst, wie sehr ich das in ein paar Tagen bereuen würde.
«Ach, du bist mit dem Auto da! Kannst du mich nach Sysmäjärvi mitnehmen?
Dann schaffe ich es noch, bevor das Speerwerfen anfängt», sagte Johnny, als er meinen klapprigen Lada auf dem Hof erblickte. Ich konnte nichts sagen, nickte nur zum Auto hin.
Die ersten paar Kilometer fuhren wir schweigend, dann fing Johnny an: «Du glaubst mir doch, Maria, dass ich dich nicht angelogen habe wegen Freitagnacht?
Ich hab mich wirklich nicht mehr mit Meritta getroffen. Ich bin nur zu-rückgeradelt, weil ich so durcheinander war. Wegen dir.»
Ich schaltete höher, aber meine Füße brachten Kupplung und Gas durcheinander.
Das Getriebe knirschte beleidigt.
«Ich bin durch die Gegend geradelt und hab darüber nachgedacht, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn wir beide damals vor fünfzehn Jahren … Das Verhältnis zwischen Meritta und mir war am Absterben. Ich war für sie doch bloß Material, das sie in ihren Bildern verewigen wollte, bis sie genug von mir hatte. Sie hat mich nicht gebraucht, nicht wirklich. Aber wir beide, Maria … könnten wir es nicht nochmal versuchen?»
In meinen Tagträumen von Johnny hatte ich mir oft vorgestellt, genau diese Worte zu hören. Jetzt merkte ich, wie absurd sie klangen. Auch ich hatte ja nie den echten Johnny geliebt, sondern das Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte.
Er war das passende Material für meine Teenagerträume gewesen.
«Da würde ja doch nichts draus. Und im Übrigen hätte ich dein Leben kein Stück besser machen können.»
«Glaubst du mir nicht?» Johnnys Stimme war rau.
«Vielleicht glaub ich dir tatsächlich nicht.» Ich bog auf den Hof der Miettinens ein und zwang mich, in Johnnys blaugelb gesprenkelte Augen zu schauen.
«Sprechen wir nochmal drüber, wenn Järvisalo Merittas Mörder gefunden hat.»
Johnny stieg aus und knallte die Tür zu. Ich fuhr mit quietschenden Reifen davon. Als ich auf die Landstraße einbog, krachte das Heck des Lada gegen die aufgereihten Briefkästen. Haha, jetzt hatte ich endlich bekommen, was ich mir irgendwann einmal heftiger gewünscht hatte als alles andere. Und nun war ich bereit, es einfach fortzuwerfen, mit beleidigenden Worten als Dreingabe.
Einen Moment lang war ich versucht, kehrtzumachen und Johnny zu sagen, dass ich es mir anders überlegt hatte. Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit ihm zu schlafen, wie er schmecken würde,
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