Kupferglanz
Saastamoinens Frau war die Schwester des Bankdirektors. Sicher hatten Jussi und der Bauunternehmer Saastamoinen gemeinsam so manchen geselligen Abend in der Luxussauna der Bank verbracht. Und wer hatte wohl letztes Jahr Jussis neues Haus gebaut?
Verdammt und zugenäht!
Mich hatten sie also dazu ausersehen, hinter ihnen herzuräumen. Oder hatte Jussi mich für ein unerfahrenes kleines Mädchen gehalten, das wahrscheinlich nichts merken würde? Oder für eine Einheimische, die wusste, dass dergleichen in kleinen Städten ‐ und auch in etwas größeren ‐immer schon üblich war, und auf eine Anklageerhebung verzichtete ? Vor Wut trat ich gegen den Papierkorb, der natürlich umkippte und seinen Inhalt über den Teppichboden verstreute. Ich kroch unter den Schreibtisch, um die Schnipsel wieder aufzusammeln.
Schließlich konnte die Putzfrau nichts für Jussis Blödheit. Ich streckte dem Konterfei des Präsidenten die Zunge raus, aber Ahtisaari würdigte mich keiner Antwort.
Nachdem ich eine Weile in der Gesetzgebung über Wirtschaftskriminalität nachgelesen und mich etwas beruhigt hatte, zwang ich mich, Ella anzurufen. Sie wollte gerade Feierabend machen.
«Komm auf dem Heimweg hier vorbei, dann können wir einen Kaffee zusammen trinken. Ich hab auch noch Eis da.» Ella war nicht gerade begeistert, versprach aber zu kommen. Mit dem Auto konnte sie es in fünf Minuten schaffen. Ich schaufelte Pfefferminzeis auf zwei Teller und setzte mich in den Sessel am Sofatisch, um auf Ella zu warten. Es sollte ja nur ein Plausch unter Freundinnen sein, wenn auch am Arbeitsplatz der einen.
Ella sah müde aus und irgendwie dicker als gewöhnlich. Schließlich merkte ich auch, warum: Normalerweise trug sie weite, bunte Kleider, aber jetzt hatte sie sich in eine enge schwarze Samtjacke gezwängt, die wahrscheinlich Matti ge-hörte.
Ich goss ihr Kaffee ein, bevor ich sie fragte, ob sie schon von Jaska Korhonen gehört hätte.
«Nein. Was denn? Hat Jaska Meritta ermordet?»
«Wahrscheinlich nicht, denn Jaska ist selbst letzte Nacht umgebracht worden.»
Ellas mit Eis gefüllter Löffel fiel auf den Tisch, ihr Mund verzog sich, als müsste sie lachen. An diesen Gesichtsausdruck erinnerte ich mich aus meiner Kindheit.
Ella hatte mir einmal ganz entsetzt erzählt, dass sie, immer wenn sie etwas wirklich Erschütterndes hörte, als Erstes lachen musste. Wir hatten versucht, ihr eine passendere Miene anzutrainieren, indem ich ihr möglichst schreckliche Dinge erzählte, etwa: «Auf Joensuu ist gerade eine Atombombe gefallen», aber dabei waren nur noch wildere Lachanfälle herausgekommen. «Umgebracht?
Wie?»
«Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.» Ich mochte nicht länger darum herumreden, sondern kam direkt zur Sache. «Ella, dieser Kalevala-Schmuck. Es war doch deine Brosche, die nach Merittas Tod auf dem Turm gefunden wurde, oder? Sie war nicht in der Waschmaschine?»
«Ich weiß nicht, wo der Schmuck ist. Er ist mir an dem Abend irgendwie abhandengekommen.»
«Wir haben dreierlei Fingerabdrücke darauf gefunden. Die einen sind von Meritta, die zweiten von Matti. Die dritten, von denen am meisten drauf sind, stammen sicher von dir.»
«Hast du mit Matti gesprochen?» Ellas Gesicht war noch röter als sonst, und sie knöpfte gedankenverloren ihre schwarze Jacke auf. Darunter kam eine geblümte Bluse in einem für Ella ungewohnt zarten Blaugrau zum Vorschein.
«Ich hab Matti vor ein paar Stunden in der Kunstschule getroffen.»
«Was hat er gesagt?»
«Dass du dich mit Meritta über die Mittel für den Ferienmalkurs gestritten hast.
Meritta hatte offenbar einen Teil der Gelder in die eigene Tasche gesteckt.»
Ella nahm einen langen Schluck von ihrem Kaffee, dann noch einen. Sie sah genauso aus wie in der Schwedischstunde im Gymnasium, wenn die Lehrerin sie nach der Konjugation eines unregelmäßigen Verbs fragte: Sie schien angestrengt nachzudenken. Ich ließ ihr Zeit, denn ich wusste von damals, dass keine vernünftige Antwort zu erwarten war, wenn sie gedrängt wurde. Natürlich hoffte ich, sie würde lachen und erklären, es handle sich nur um eine Kleinigkeit.
«Das hat dir Matti also erzählt», sagte sie schließlich langsam. «Es stimmt schon, Meritta hat von dem Geld für den Kurs versehentlich Material für ihren eigenen Gebrauch bezahlt. Solche Schnitzer können sich der Kunstverein und das Kulturdezernat nicht leisten, unsere Etatmittel werden von der Stadtverwaltung besonders streng geprüft. Und
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