Kupferglanz
eine Nachricht bilden. Irgendetwas in dieser Art hätte ich mir bei Jaska gut vorstellen können. Er war doch wohl nicht auf die Idee verfallen, den Trick mit dem Zitronensaft aus den «Fünf Freunden» anzuwenden? Ich schnappte mir sein Feuerzeug vom Tisch und hielt die Flamme vorsichtig unter das Papier, aber es tauchten keine braunen Buchstaben auf. Und der Umschlag? Sollte er mich auf das Arbeitsamt von Arpikylä hinweisen? Wie hätte Meritta denn dort etwas verstecken sollen?
Puh. Mein Kopf war völlig überdreht. Warum war ich nicht Lord Peter Wimsey?
Ihm wäre das Geheimnis des Schlüssels natürlich sonnenklar gewesen. Ich steckte den verfluchten Brief wieder in die Tasche und beschloss, mich aus dem mit Jaskas Träumen überfrachteten Zimmer zu verziehen, bevor ich wieder anfing zu heulen.
Ich wollte noch nicht nach Hause, wo ich doch nur den ganzen Abend meinen Gedanken nachhängen würde. Meine Eltern und ihre Fragen nach dem Fortschritt der Ermittlungen konnte ich jetzt auch nicht ertragen. Ich warf einen Blick auf den Aushang am Fitnesscenter und stellte fest, dass donnerstags von sieben bis neun Frauenabend war. Das kam mir gerade recht. Bei einem ordentlichen Workout würde mit dem Schweiß vielleicht auch ein Teil meiner Trauer und meines Schuldgefühls von mir abfließen.
Zwölf
Im Fitnesscenter waren außer mir nur zwei Frauen, die eine Anleitung für ein offenbar ganz neues Rückentraining studierten. Ich sprang zehn Minuten Seil, um meine Muskeln zu wärmen. Neumodischer Kram wie Ergometer oder Step-per waren in Arpikylä unbekannt. Der niedrige Kellerraum hatte keine Sauerstoffzufuhr und roch nach Schweiß, der widerliche Gestank feuchter Turnschuhe hatte sich fest eingenistet und wurde nur ab und zu von dem süßlichen Parfüm der einen Rückengymnastikerin überlagert. Der Raum hatte keine Fenster, er wurde von einer vergitterten Lampe beleuchtet.
Keine angenehme Umgebung für meine Therapie. Trotzdem war es wohl das Beste, einfach loszulegen. Ich lud mir eine passende Menge Scheiben auf die Stange und fing mit Bankdrücken an.
Wenn er an seinem ursprünglichen Plan festhielt, kam Antti in sieben Wochen nach Finnland zurück. Mein Arbeitsvertrag lief Ende Oktober aus, und Antti hatte versprochen, so lange bei mir in Kuusikangas zu wohnen. Seine Lehrtätigkeit an der Uni fing erst Anfang November an.
Mit zusammengebissenen Zähnen machte ich fünf Wiederholungen mehr als normalerweise. Eigentlich müsste ich mich schon jetzt im Sommer aktiv nach Arbeit umsehen. Anttis Assistentenstelle an der Uni Helsinki war ihm noch für ein paar Jahre sicher, also suchte ich mir am besten wohl auch einen Job im Hauptstadtgebiet.
Ein ganz seltsamer Gedanke schlich mir durch den Kopf. Ich hatte ihn schon zu Ende gedacht, bevor ich vor ihm erschrak. Ob ich versuchen sollte, schwanger zu werden? Die Stange fiel mir fast aus den Händen, als ich begriff, was ich da erwogen harte.
Ein Kind? Irgendwann, mit zwanzig oder so, war ich mir absolut sicher gewesen, dass ich nie heiraten und Kinder kriegen wollte. Damals war ich ebenso fest überzeugt gewesen, dass ich mir nie ein Kostüm kaufen oder klassische Musik hören würde. Na, solange ich keine Lockenwickler besaß, wurde ich meinen Prinzipien wenigstens nicht völlig untreu.
Ich ging zur Rudermaschine. Keine Frage, ich war ein wenig neugierig darauf zu erfahren, was für ein Gefühl es war, schwanger zu sein und zu gebären. Aber damit würde ich einen Vertrag auf Lebenszeit eingehen. Von einem Ehepartner oder einem Job würde ich mich jederzeit trennen können, aber ein Kind wäre meins für den Rest meines Lebens: Allerdings hatten das auch schon Dümmere geschafft, warum also nicht auch ich und Antti?
Eine hochgewachsene blonde Gestalt öffnete die Tür zum Fitnessraum. Nachdem sie die schweißgetränkte Luft geschnuppert hatte, holte sie irgendwoher einen Keil und legte ihn so zwischen Tür und Angel, dass die Tür offen blieb. Ein wenig frische, nach Regen duftende Luft strömte herein.
Kaisa war ganz offensichtlich an den ungemütlichen Fitnessraum gewöhnt.
Warum in aller Welt gab sie sich mit so miserablen Verhältnissen zufrieden?
Obwohl sie den Medienrummel verabscheute, wirkte sie keineswegs ängstlich, sondern schien eine resolute junge Frau zu sein. Es ging ja allerdings das Gerücht, dass Kivinen in einer Aufbereitungshalle des Alten Bergwerks eine Speerwurfbahn für Kaisa bauen ließ, vielleicht gehörte dazu auch ein anständiger
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