Kupferglanz
Salat zuzubereiten. Während sie Tomaten schnitt, sagte sie: «Ich hab ja keine Geschwister. Johnny ist in seiner Familie der Jüngste, vielleicht bin ich für ihn so was wie eine kleine Schwester.» Sie streute Schnittlauch über die Tomaten und den Kopfsalat und fing an, den Tisch zu decken. Irgendwie war es taktlos, unmittelbar vor dem Abendessen über den Leichenfund zu sprechen, aber Takt war noch nie meine stärkste Seite.
«Wie fühlst du dich denn jetzt, Kaisa? Ich könnte mir vorstellen, dass du sowieso schon genug Stress hast, und jetzt bist du schon wieder in einen Mordfall verwickelt.»
«Mmh, noch vier Wochen bis zur EM. Ich weiß, dass man eine Goldmedaille von mir erwartet. Die erhoffe ich mir selber ja auch, warum soll ich es verheimlichen. Deswegen will ich ja gerade, dass das alles bald aufgeklärt wird. Mit diesem Antikainen konnte ich nicht reden, der hat mich nicht als Mensch behandelt, obwohl er sich schon Mühe gegeben hat, freundlich zu sein.»
«Für Timppa muss es wahnsinnig aufregend gewesen sein, dass er dich chauffieren durfte. Worüber wolltest du denn reden?»
«Die Steaks brauchen noch eine Weile, fangen wir schon mal mit dem Salat an.
Trinkst du Mineralwasser?» Kaisa häufte mir Salat auf den Teller, und ich merkte, dass ich tatsächlich Hunger hatte. Das Mittagessen war nicht sehr nahrhaft gewesen, und aus dem Eisessen am Nachmittag war nichts geworden.
Kaisa aß mit der gleichen Konzentration, mit der sie ihren Speer warf.
Offensichtlich war das richtige Essen ein wesentlicher Teil des Trainingspro-gramms, das ihr die Goldmedaille einbringen sollte.
Während wir Steaks und Nudeln verspeisten, sprachen wir über Kochen und Sport. Ich ließ Kaisa das Tempo bestimmen, ich führte hier ja keine offizielle Vernehmung. Als Nachtisch holte sie eine Tüte Früherdbeeren aus dem Kühlschrank und schlug vor, dass wir uns ins Wohnzimmer setzten.
Von der Diele her sah das Wohnzimmer ganz normal aus. Ein Tisch, eine Sitzgruppe, Fernseher und Blumentöpfe. Dann fiel mein Blick auf eine Vitrine aus Birkenholz, die an der rechten Wand stand. Sie war angefüllt mit Pokalen, Schalen und Medaillen. In der Mitte hing Kaisas Silbermedaille von der WM, daneben ein Foto von der Siegerehrung, auf dem Kaisa mit einem strahlenden Lächeln die Siegerin Trine Hattestad umarmte.
Kaisa setzte sich mit untergeschlagenen Beinen aufs Sofa, schüttete die Erdbeeren in eine Aalto-Schale, die sie aus dem Regal genommen hatte, und fing an zu erzählen.
«Ich hab noch nie einen Toten gesehen. In den letzten Tagen hab ich darüber nachgedacht, wie Meritta als Leiche ausgesehen hat. Genauso wie vorher? Das Seltsamste heute früh war, dass der, der da am Teich lag, eindeutig Jaska Korhonen war und gleichzeitig nur eine Leiche, ein Niemand. War das bei Meritta auch so ? »
Ein Tropfen Erdbeersaft lief Kaisa am Mundwinkel entlang zum Hals. Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: «Erst dachte ich, ich sehe Gespenster, weil ich zu sehr an Meritta gedacht hab. Aber ich musste doch nachsehen, was dem Typen fehlte, der da lag. Und als ich auf fünf Meter an ihn herangekommen war, wurde mir klar, dass er tot sein musste. Ich hab Blut in seinen Haaren gesehen und mich umgeschaut, wo er hingefallen sein und sich verletzt haben könnte. Aber da liegen ja gar keine großen Steine, an denen man sich den Kopf aufschlagen könnte, wenn man stolpert. Da ist bloß Sand. Ich hab mich gezwungen, nach seinem Puls zu fühlen. Und dann bin ich gerannt. Erst im Gesundheitszentrum bin ich wieder zu mir gekommen, als sie mir irgendwas spritzen wollten. Ich trau mich doch nicht, die harmloseste Tablette zu nehmen, ohne vorher mit dem Arzt der Olympiamannschaft zu sprechen, damit ich nur ja keine Dopingprobleme kriege. Woran ist denn der Jaska gestorben?»
«Die technischen und gerichtsmedizinischen Untersuchungen laufen noch. Ich glaube, Jaska hat gewusst, wer Meritta umgebracht hat, und hat versucht, den Mörder zu erpressen.»
Ich schlug ebenfalls die Beine unter und schaute zum Fenster hinaus. Eine fette graubraune Katze belauerte eine Bachstelze, die auf dem Baum im Hof saß. Der Vogel machte einen Sturzflug bis knapp vor die Nase der Katze und flog dann mit triumphierendem Tschacken in den Baum zurück. Die Katze war außer sich vor Wut. Ich bekam Sehnsucht nach Anttis Kater Einstein, den die listigen Bachstelzen genauso zum Narren gehalten hatten.
«Du hast vorhin gesagt, Johnny war klatschnass, als er letzte Nacht
Weitere Kostenlose Bücher