Kupferglanz
dazu kommt ja noch, dass Meritta in der Stadtverordnetenversammlung saß und die zweckentfremdeten Gelder selbst mit bewilligt hat. Damit hab ich nicht gerechnet, dass Matti dir das erzählt, dass er Meritta anschwärzt… »
Ella schien mit Mattis Verhalten nicht einverstanden zu sein. Es war nicht ihr Stil, hintenherum schlecht über andere zu reden, während sie von Angesicht zu Angesicht ordentlich lospoltern konnte. Vielleicht empfand sie es als Verrat, über die kleinen Verfehlungen einer Toten zu sprechen.
«Das lässt sich beheben, wir besorgen uns das Geld irgendwie», sagte Ella eher zu sich selbst als zu mir.
«Du bist also in der Nacht nicht mehr zum Alten Bergwerk zurückgegangen, um Meritta zu treffen oder deinen Schmuck zu suchen?»
Ella sah mir viel zu fest in die Augen.
«Ich bin in der Nacht nicht mehr zum Alten Bergwerk gegangen, um Meritta zu treffen oder meinen Schmuck zu suchen», wiederholte sie meine Worte. Sie wandte den Blick ab und setzte hinzu: «Vielleicht hat Meritta den Schmuck irgendwo gefunden, sich erinnert, dass es meiner ist, und ihn mitgenommen.
Vielleicht ist er ihr aus der Tasche gerutscht, als sie … herunterfiel.»
«Gut möglich», lenkte ich ein und goss uns Kaffee nach. Das Eis auf unseren Tellern war zu einem grün-braunen, unappetitlichen Matsch geschmolzen.
Irgendetwas stimmte nicht zwischen den Virtanens, das war nicht zu übersehen.
Ich hätte gern die Unterlagen des Ferienkurses gesehen. Hatte Meritta vorgehabt, Ella die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn die Veruntreuung aufgedeckt wurde? Um welche Summen ging es überhaupt?
«Du hast doch deinen Job gekriegt, weil du so schlau warst, dir das richtige Parteibuch zuzulegen. Kriegst du jetzt Schwierigkeiten, wenn Matti für eine andere Partei in die Stadtverordnetenversammlung einzieht ? »
«Als Matti bei der Kommunalwahl für die Grünen kandidiert hat, haben die Leute gefragt, wieso denn seine Frau in einer anderen Partei wäre, ob er etwa zu Hause nichts zu sagen hätte. Matti ist keinen Deut grüner als Paavo Väyrynen, er hat sich von Meritta überreden lassen.»
Ella hörte sich allmählich wieder normal an. Auch ich ging zum Plauderton über.
Erst als Ella sagte, sie müsse jetzt nach Hause und das Essen für die Kinder kochen, traute ich mich zu fragen: «Ihr habt gestern Nacht wohl beide in euren Betten gelegen, Matti und du?»
Ella sah mich einen Augenblick verständnislos an, dann schnappte sie nach Luft.
«Ja, das haben wir. Aber das kann sonst niemand bezeugen, unsere Kinder haben nämlich auch fest geschlafen! »
Sie knallte die Tür hinter sich zu, als sie ging.
Ich trug die Tassen zum Spülen in den Pausenraum, wo Lasarov mit Hopponen tratschte. Er erzählte, dass Jaskas Mutter mit ihrer Tochter Jaana und einer Krankenschwester zu Hause war; sowohl Jaana als auch Meeri Korhonen brauchten Beruhigungsmittel. Ich fühlte mich mies, als ich daran dachte, dass ich gleich in die Wohnung gehen und Schränke durchwühlen würde. Aber es musste sein. Vorher ging ich noch einmal in mein Büro, um aufzuräumen. Da klingelte das Telefon.
«Koivu hier, hallo. Ich fahr zurück nach Joensuu, muss mir ʹnen Selbstmörder ansehen. Er soll sich aufgehängt haben.» Koivus Stimme klang gequält, ich überlegte, wie lange er durchhalten würde, mit zu wenig Schlaf und gebroche-nem Herzen. Trotzdem sprachen wir nur über Dienstliches.
«Die Virtanens haben zugegeben, dass der Schmuck ihnen gehört. Sag Järvisalo noch nichts davon. Wo willst du denn schlafen?»
«Es gibt in Joensuu ja genug Hotels.» In seinen Worten schwang eine Bitterkeit mit, die ich bei ihm nur selten gehört hatte.
Als ich am Morgen zur Arbeit gekommen war, hatte ich das Auto draußen auf der Straße geparkt. Als ich jetzt den Schlüssel herumdrehte, gab es keinen Mucks von sich. Ich fluchte. Der alte Lada hatte bei Regenwetter seine Mucken, er würde erst wieder anspringen, wenn die Feuchtigkeit, die in die elektrische Anlage eingedrungen war, getrocknet war.
Ich hatte größte Lust, dem elenden Schrotthaufen einen Tritt zu versetzen. Es half nichts, ich musste mir die Schlüssel für den Dienstwagen des Ortspolizeidirektors holen und ihn aus der hintersten Ecke der Polizeigarage manövrieren.
Während ich den Hügel zu Korhonens herunterfuhr, dachte ich daran, dass ich erst vorgestern dort nach Jaska gefragt hatte. Warum hatte ich ausgerechnet an dem Abend nur Mensch sein wollen und die Polizistin in mir verdrängt? Meine
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