Kupferglanz
ankam. Hat er dir erzählt, wo er gewesen ist?»
Es war Kaisa am Gesicht abzulesen, dass sie begriff, worauf ich hinauswollte.
«Nein. Aber er war total ausgeflippt. An seinen Klamotten … war Sand. Gelber Sand. Wie am Bergwerkshügel… und in der Plörre.» Ich verstand, dass es Kaisa widerstrebte, mir das zu sagen. Wir saßen im selben Boot: Sie wollte Johnny nicht belasten, ich wollte ihn nicht verhaften. Aber es lag uns wohl beiden nicht, einen Mörder zu schützen.
«Du hast auf der Party im Alten Bergwerk gefragt, ob Johnny und Meritta ein Verhältnis hatten. Wusstest du, dass Johnny gelogen hat, als er es abstritt?»
«Nicht mit Bestimmtheit, aber ich habʹs vermutet.»
«Warst du deswegen eifersüchtig? Du bist doch in Johnny verliebt, Kaisa?» Ich sprach ruhig und sanft wie eine psychologisch geschulte Ermittlerin.
Kaisa stand vom Sofa auf und wandte sich zur Trophäenvitrine, weg von mir. Ihr ärmelloses Sporthemd ließ die prächtigen Muskeln am oberen Rücken erkennen, über die sich die blonden Locken ringelten.
«Ja, ich war eifersüchtig», sagte sie leise. «Aber es ging nicht um Johnny. Ich war in Meritta verliebt.»
Ich kam mir vor wie eine komplette Idiotin. Nur weil ich selbst in Johnny verknallt war, hatte ich mir eingebildet, allen anderen ginge es ebenso.
«Wusste Meritta davon?»
«Du meinst, ob ich ihr erzählt hab, dass ich lesbisch bin?», sagte Kaisa noch leiser, drehte sich aber wieder zu mir um, als suchte sie in meinem Gesicht nach einem Ausdruck des Abscheus.
«Na und, Kaisa? Ist das denn etwas, was niemand erfahren darf?»
«Bei euch in Helsinki vielleicht nicht. Aber hier… stell dir das doch mal vor! »
Ich versuchte es. In meiner alten Heimatstadt schienen noch die sexuellen Moralvorstellungen der fünfziger Jahre zu herrschen. In der Stadt lebte kein einziger öffentlich bekannter Schwuler. Der eine Mutige, der seinen Freund mit nach Hause gebracht und seinen Eltern vorgestellt hatte, war im Kupferkrug zusammengeschlagen worden. Die christliche Abgeordnete, die alle Schwulen zur Hölle wünschte, hätte wohl nicht mehr mit Kaisa für Pressefotos posiert, wenn Kaisas sexuelle Orientierung bekannt geworden wäre.
«Die Leute hier wären mir ja noch egal. Aber ich bin Sportlerin, ich jage einer Olympiamedaille nach. Du hast doch die Zeitungen gelesen … Du weißt doch, was sie über mich schreiben, du weißt doch, welche Ausdrücke die Fern-sehreporter verwenden … Sie titulieren die Kugelstoßerinnen als stämmige Mädel und so weiter. Wie würden sie wohl über eine lesbische Speerwerferin reden? Und du hast doch auch die Werbekampagne meines Sponsors gelesen?
Ich glaub nicht, dass es denen gefallen würde, dass Kaisa eine Frau liebt. Ich bin nicht die Einzige im Sport, die nicht hetero ist. Aber so was gibt niemand zu.»
«Aber das ist nicht richtig!»
«Nein, ist es nicht. Aber soll gerade ich etwas daran ändern?» Kaisa setzte sich wieder aufs Sofa und stopfte sich fünf Erdbeeren auf einmal in den Mund.
«Meritta hat genau das Gleiche gesagt wie du. Sie fände es toll, wenn ich aus meinem Kabäuschen käme. So hat sie sich ausgedrückt.»
«Wie hat denn Meritta reagiert, als du ihr gesagt hast, dass du sie liebst?»
Kaisas Augen füllten sich mit Tränen, sie wischte sich über die Wange, wo ihre Hand einen erdbeerroten Streifen hinterließ.
«Na ja … sie war genauso wenig schockiert wie du. Sie hat gesagt, sie hätte mich sehr gern und sie hätte noch nie daran gedacht, mit einer Frau zusammen zu sein, aber sie fände mich auch nicht irgendwie abstoßend. Sie wäre aber gerade vergeben, sie hätte was mit Johnny. Sie hatte aus Prinzip immer nur eine Romanze auf einmal. Die eine musste erst zu Ende ein, bevor sie an die nächste denken konnte.»
Ich nickte. Märten Flöjt hatte genau dasselbe gesagt. Aber hatte Meritta sich vielleicht entschlossen, bei Kaisa eine Ausnahme zu machen? Und hatte sie es Johnny am Freitagabend auf dem Turm gesagt?
«Also hab ich gewartet, bis Johnny und Meritta genug voneinander hatten», fuhr Kaisa bitter fort. «Ich hab gehofft, Meritta würde mir endlich das Recht geben, ich selbst zu sein. Ich bin überhaupt noch nie richtig mit jemandem gegangen. Die Jungen in Arpikylä waren mir gegenüber immer so komisch, einerseits haben sie mich bewundert und andererseits schlecht gemacht. Vielleicht jagt ihnen eine speerwerfende Frau so viel
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