Kupfervenus
Provinzen von gefährlichem Getier zu befreien: Tiger aus Indien und dem Kaukasus abgezogen; ganze Herden schädlicher Elefanten aus Mauretanien weggeschafft. Wahrscheinlich verhielt es sich mit den Schlangen genauso.
»Was wollen Sie wissen?« fragte Thalia, plötzlich wieder auf der Hut.
»Erzählen Sie mir einfach alles, was mit dem Fall in Zusammenhang stehen könnte. Haben Sie eigentlich Frontos Frau gekannt?«
»Bin ihr nie begegnet. Hatte auch keine Lust, sie kennenzulernen. Mir war klar, daß von der nur Ärger kommt! Fronto dachte genauso, das spürte man. Er hat sie in nichts eingeweiht. Hat ihr nicht mal verraten, daß er einen Neffen hatte. Haben Sie das gewußt?«
»Eher geahnt. Aber was genau ist damals eigentlich passiert? Mir hat man erzählt, ein Panther hätte Fronto und den Seiltänzer eine Hebebühne hochgejagt.«
»Also, das ist schon mal faustdick gelogen!« rief Thalia empört.
»Wie meinen Sie?«
»Na, der Unfall war doch in Neros Circus!«
Plötzlich begriff ich; im Gegensatz zum mehrstöckigen Amphitheater verfügen die Rennsportstadien nur über ein planes Geläuf. »Keine Kellergewölbe? Überhaupt keine Unterbauten – und folglich auch keine Vorrichtung zum Transport der Käfige?«
Thalia nickte. Ich wünschte, sie hätte das nicht getan; es irritierte die Schlange. Jedesmal, wenn Thalia sich bewegte, reckte das Biest den Kopf und fing an zu kontrollieren, ob ich gut rasiert sei oder Nissen hinter den Ohren hätte. »Demnach hat so ein Tolpatsch von Ädil das Unfallprotokoll geschrieben, ohne sich den Tatort anzusehen?«
»So muß es wohl gewesen sein.«
Das war eine gute Nachricht, denn sie ließ auf bisher unentdeckte Beweise hoffen. »Waren Sie am Unfallort?« Thalia nickte. Ihr neugieriges Schmusetier seilte sich ab. Sie zurrte es wieder fest. »Wie hat sich’s also abgespielt?«
»Das passierte gleich hinter den Startgattern. Fronto hatte für die Pause vor dem Auftritt der Wagenlenker ein paar Tiere besorgt – für eine Scheinjagd. Sie wissen schon! Berittene Bogenschützen galoppieren hinter allem Gefleckten und Gestreiften in der Manege her. Hat man einen sehr müden, zahnlosen alten Löwen bei der Hand, dann läßt man vielleicht sogar ein paar Aristokratensöhnchen eine Runde drehen …«
»War der Panther müde und zahnlos?«
»Aber nein!« rief Thalia vorwurfsvoll. »Dieser Panther ist ein echtes Schmuckstück, ein wunderschönes Tier. Wenn Sie wollen, können Sie ihn sich ansehen. Frontos Neffe hat ihn damals behalten – aus Respekt, wissen Sie, für den Fall, daß er noch was von seinem Onkel intus hatte. Die Beisetzung war nämlich sehr schwierig, Falco …«
»Ich glaube nicht, daß ich mir den Panther ansehen muß. Er würde wohl kaum mit mir sprechen, und selbst wenn – kein Gericht würde seine Aussage gelten lassen! Also, was ist damals passiert?«
»Jemand hat ihn rausgelassen.«
»Sie meinen – mit Absicht?«
»Hören Sie, Falco, die Käfige für Neros Circus kommen aus allen Teilen der Stadt und werden vorsichtshalber nachts transportiert, aber es würde trotzdem Aufruhr geben, wenn auch nur ein klitzekleiner Löwe freikäme!« Ich hatte solche Spezialkäfige für den Transport wilder Tiere natürlich schon gesehen – gerade groß genug für die Insassen und maßgerecht für die Aufzüge im Amphitheater. Die Deckplatte hatte ein Sicherheitsscharnier. »Fronto nahm es mit seinen Tieren sehr genau; er hatte ja auch genug Geld in dieses Geschäft gesteckt! Vor jedem Transport überprüfte er persönlich die Schlösser und kontrollierte sie noch mal, während die Tiere auf ihren Auftritt warteten. Der Panther kann unmöglich aus Versehen freigekommen sein.«
»Aber irgendwann mußte man die Käfige doch aufschließen?«
»Erst unmittelbar vor der Nummer. Und dann war Fronto immer dabei und paßte auf, daß alles glattging. In einer Arena zum Beispiel ließ er immer erst aufschließen, wenn die Käfige schon im Lastenaufzug waren. Vor dem Auftritt brauchten die Sklaven dann nur noch einen Gleitschnäpper am Deckel zurückzuschieben.«
»Aber an dem fraglichen Tag im Circus ging man anders vor?«
»Ja. Da kamen die Käfige für die Scheinjagd in die Wagenboxen; die Tiere sollten durch die Startgatter auf die Bahn gelassen werden. Nachdem sie die Nacht über eingesperrt waren, freuten sie sich natürlich auf den ersehnten Auslauf und wären munter mitten in den Circus reingerannt, der mit nachgemachten Bäumen wie ein richtiger Wald aussah –
Weitere Kostenlose Bücher