Kupfervenus
ein knappes, durchsichtiges Hemdchen – und ein Halsband.
Das Halsband hätte man für eine Korallenkette halten können – bis man sah, daß die schimmernden Glieder sich zuweilen mit trägem Charme hin und her schoben. Mitunter rutschte ihr auch ein Ende vom Hals, und sie schob es unwirsch wieder hoch. Das Schmuckstück war eine lebende Schlange.
»Mal was anderes, wie?« Ihre friedliche Miene sprach Bände; mir tat im voraus jede noch so tückische Schlange leid, die sich mit ihr anlegen würde.
»Mit einem solchen Prachtstück vor der Luftröhre dürften Sie kaum Ärger mit den Männern kriegen!«
»Männer machen immer Ärger, Schätzchen!«
Ich lächelte entschuldigend. »Ich bitte nur um ein paar freundliche Worte.«
Sie ließ ein obszönes, gackerndes Lachen hören. »Das sagt ihr Kerle doch alle!« Im nächsten Augenblick sah sie mich an, als ob sie mich bemuttern wolle. Ich erstarrte vor Schreck. »Ich heiße Thalia«, stellte sie sich vor.
»Eine der Grazien!« Dieser Fall kippte allmählich in den Wahnwitz.
»Na, Sie sind mir aber ein Frechdachs! Und wie heißen Sie?« Wider besseren Wissens nannte ich ihr meinen Namen. »Also, Falco? Von daheim weggelaufen, um Löwenbändiger zu werden?«
»Nein, das würde meine Mutter nicht erlauben. Sind Sie ein Schlangenmensch?«
»Jeder würde zum Schlangenmenschen, wenn ihm eine Python dahin kriecht, wo …«
»Sicher!« beteuerte ich hastig.
»Ich bin gelernte Schlangentänzerin«, erklärte sie kühl.
»Verstehe! Und ist das da die Schlange, mit der Sie auftreten?«
»Was denn, die hier? Nein, das ist bloß meine Alltagshalskrause! Die Schlange aus meiner Nummer ist zwanzigmal so lang!«
»Entschuldigen Sie. Ich dachte bloß, Sie wären vielleicht gerade beim Proben.«
Die Schlangentänzerin schnitt eine Grimasse. »Es reicht, wenn ich in der Vorstellung meinen Hals riskiere. Wieso soll ich das auch noch proben?«
Ich grinste. »Irgendwann würde ich mir Ihre Nummer gern mal ansehen.«
Thalia betrachtete mich mit dem ruhigen, klugen Blick, den Leute kriegen, die mit gefährlichen Tieren zusammenleben. Sie war es gewohnt, in mehr als eine Richtung wachsam zu sein. »Was wollen Sie, Falco?«
Ich sagte ihr die Wahrheit. »Ich bin Privatermittler. Ich versuche, einen Mörder zur Strecke zu bringen. Und in dem Zusammenhang wollte ich Sie fragen, ob Sie einen Mann namens Grittius Fronto gekannt haben?«
Thalia rückte ihre Schlange wieder zurecht. »Ich kannte Fronto, ja.«
Sie klopfte auf den freien Platz neben sich auf der Bank. Da sie mir nicht unfreundlich vorkam (und die Schlange zu schlafen schien), wagte ich die Annäherung. »Ich habe mit dem Sekretär des Prätors gesprochen, der Frontos Tod untersucht hat – ein gewisser Lusius. Hat der auch Sie befragt?«
»Wer traut schon einer Frau mit ungewöhnlichen Schlangennummern?«
»Ich bitte Sie! Welch törichtes Vorurteil!« (Der Moment schien mir passend, den Kavalier herauszukehren.)
Sie nickte. Und ich sah ihr an, daß sie ernstlich deprimiert war. »Für manche Männer hat die Gefahr auch ihren Reiz – als Fronto starb, hatte ich gerade ein Fiasko mit einem unsicheren Seiltänzer, der vor lauter Kurzsichtigkeit nicht mal die eigenen Eier sehen konnte!«
Ich bemühte mich um einen teilnahmsvoll gedämpften Ton. »Wurde bei dem Unfall damals nicht auch ein Seiltänzer übel zugerichtet?«
»Er wäre nie wieder der alte geworden – aber ich hab ihn durchgebracht.«
»Und? Sind Sie noch mit ihm zusammen?«
»Nein! Er hat sich ’ne Erkältung geholt und ist dran gestorben. Ach, die Männer sind ja so was von gemein!«
Inzwischen hatte sich die Schlange entwirrt und bekundete erschreckend lebhaftes Interesse an meinem Gesicht. Ich versuchte, mich nicht zu rühren. Thalia packte sie sich wieder um den Hals – zweimal – und klemmte dann Kopf und Schwanz schön ordentlich unter ihrem üppigen Kinn fest. Ich war zu schwach zum Sprechen, aber Thalia legte auch ohne Stichwort los. »Fronto war im Importhandel, hatte ein seit Jahren gut eingeführtes Geschäft. Aber die schwere Arbeit machte sein Neffe. Der hat die Tiere in Afrika und Indien aufgespürt, sie eingefangen und nach Hause verschifft. Der Arenakampf hatte seine beste Zeit ja unter Nero, aber selbst während der Unruhen gab’s noch Käufer wie mich – und jede Menge Privatkunden, die exotische Tiere wollten, um sie auf ihren Gütern zur Schau zu stellen.«
Ich nickte. Rom hatte das Seine getan, um die unwirtlichen
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