Kupfervenus
vermutlich nicht anmerken, so daß der arme Novus sich womöglich der trügerischen Hoffnung hingab, er hätte ein sittsames Mädchen gefreit.
Als sie einen neuen Strang Wolle aus dem Korb neben sich fischte, hob Severina den Kopf und sah mich forschend an. Ich versuchte immer noch rauszukriegen, warum sie wohl heute die Initiative ergriffen hatte. Vielleicht war sie’s einfach leid gewesen, dauernd beschattet zu werden. Und doch spürte ich, daß sie eigentlich ganz gern mit dem Feuer spielte.
Sie richtete sich auf und stützte das Kinn auf schlanke, weiße Finger. »Sagen Sie ruhig frei heraus, was der Familie Sorgen macht«, forderte sich mich auf. »Ich habe nichts zu verbergen.«
»Die Sorgen meiner Klienten, junge Dame, sind leicht zu verstehen: Ihre schmutzige Vergangenheit, Ihre gegenwärtigen Motive und Ihre Zukunftspläne.«
»Sie wissen doch bestimmt«, versetzte Severina, immer noch gelassen, aber mit einem Glitzern in den Augen, das mir Hoffnung gab, »wie gründlich meine Vergangenheit durchleuchtet wurde.«
»Von einem aufgeblasenen alten Prätor, der zu dumm war, um auf seinen außerordentlich tüchtigen Sekretär zu hören.« In dem Blick, den sie mir zuwarf, lagen entweder aufkeimender Respekt oder wachsende Abneigung. »Ich vermute, der Sekretär fand Gefallen an Ihnen – und machte daraus nicht unbedingt ein Geheimnis«, ergänzte ich, denn meiner Erinnerung nach war Lusius ein Mann, der frei heraus sagte, was er dachte. »Oder wie war Ihr Eindruck?«
Severina schien sich über die Frage zu amüsieren, brachte aber doch eine damenhafte Antwort zustande. »Ich hab nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie sprechen!«
»Das ist gelogen, Zotica! Nun, noch bin ich unparteiisch und neutral. Also schlage ich vor, Sie flüstern mir die wahre Geschichte ins geneigte Ohr. Fangen wir doch gleich mit Ihrem ersten Streich an. Sie wurden als Kind vom Sklavenmarkt in Delos weg verkauft und landeten nach allerlei Umwegen in Rom. Hier heirateten Sie Ihren Herrn. Wie haben Sie das gedeichselt?«
»Ohne Tricks, da können Sie sicher sein. Moscus kaufte mich, weil ich ihm gelehrig vorkam. Er suchte jemanden, den er zum Verwalter ausbilden konnte …«
»Ein guter Blick für Zahlen kommt Ihnen jetzt, als reiche Witwe, gewiß sehr zustatten!«
Ich sah, wie sie tief durchatmete, aber es gelang mir nicht, die Zornesflamme zu entfachen, auf die ich so gehofft hatte. Rothaarige lassen sich eben nicht in die Karten gucken – unter solchen Kupferlocken wurde schon der Sturz von Weltreichen ausgebrütet. Ich konnte mir gut vorstellen, daß eine Frau wie Severina noch Jahre nach einer vermeintlichen Kränkung auf Rache sinnen würde. »Severus Moscus hat mich nie angerührt, aber als ich sechzehn wurde, bat er mich, ihn zu heiraten. Vielleicht weil er mich nie mißbraucht hatte – im Gegensatz zu anderen –, willigte ich ein. Warum auch nicht? Sein Laden war das beste Zuhause, das ich je gehabt hatte. Und durch die Heirat gewann ich meine Freiheit. Die meisten Ehen sind mehr oder minder ein Geschäft; niemand kann mir vorwerfen, daß auch ich meine Chance genutzt habe.« Sie hatte eine interessante Art, beide Standpunkte einer Diskussion vorwegzunehmen. Wenn sie allein war, redete sie vermutlich laut mit sich selbst.
»Was fiel bei diesem Handel für ihn ab?«
»Jugend. Gesellschaft.«
» Unschuld? « neckte ich.
Das brachte sie endlich doch in Wallung. »Eine treue Frau und ein Haus, in das er seine Freunde ungeniert heimbringen konnte! Wie viele Männer können so viel vorweisen? Haben Sie das – oder sitzt bei Ihnen daheim eine billige Schlampe, die mit Ihnen rumbrüllt, wenn Sie sich mal verspäten?« Ich antwortete nicht. Severina fuhr mit leiser, zorniger Stimme fort: »Er war schon ein alter Mann. Seine Kräfte ließen nach. Ich war ihm eine gute Frau, solange ich konnte, aber wir wußten beide, daß es wahrscheinlich keine lange Ehe werden würde.«
»Sie haben sich also um ihn gekümmert, wie?«
Ihre unbewegte Miene tadelte meinen hinterhältigen Ton. »Keiner meiner Ehemänner, Didius Falco, hatte Grund zur Klage.«
»Durch und durch ein Profi!« Sie trug den Spott mit Fassung. Ich sah sie prüfend an. Bei ihrer blassen Haut, der fast zerbrechlichen Gestalt und ihrem beherrschten Wesen konnte man sich unmöglich vorstellen, wie sie im Bett sein mochte. Aber ein Mann auf der Suche nach Geborgenheit konnte sich wohl leicht einreden, daß sie fügsam sei. »Haben Sie Moscus an seinem letzten Tag ins
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