Kupfervenus
schnappte ich mir meine Lieblingstuniken vom Haken, ferner einen brauchbaren Hut, meine Festtagstoga, ein Kissen, zwei Kochtöpfe, die trotz fünfjährigen Gebrauchs noch einigermaßen heil waren, das Wachstäfelchen, auf dem ich meine lyrischen Gedichte komponiere, ein Extrapaar Schuhe und schließlich meinen kostbarsten Besitz: zehn Bronzelöffel, ein Geschenk von Helena. Ich wickelte alles in eine Decke, die ich vom Militär mit heimgebracht hatte, und verließ, das Bündel über der Schulter, die Wohnung – wie ein braver Einbrecher, der sich mit seiner Beute davonschleicht.
Ein Einbrecher wäre damit durchgekommen. Richtige Diebe können zehn Fuhren antiker Marmortafeln, ein Dutzend Bronzestatuen, den ganzen Falerner und die schöne junge Tochter des Hauses aus einer Villa entführen, ohne daß irgend jemand in der Nachbarschaft was merken würde. Ich verließ das Haus mit meinem rechtmäßigen Eigentum – und schon hatte eine ungehobelte Wurstverkäuferin, der ich noch nie begegnet war, mich erspäht und Verdacht geschöpft. Selbst in einem solchen Fall hätten echte Räuber sich noch in Sicherheit gebracht, ehe die Zeugin etwas unternehmen konnte. Ich aber traf auf die einzige einsatzfreudige Bürgerin diesseits des Aventin. Sowie sie mich davonlatschen sah, raffte sie ihre groben wollenen Röcke, ließ einen Schrei los, den man bestimmt bis zur Tiberinsel hörte, und nahm die Verfolgung auf.
Panik – und Zorn – wirkten wie Schmieröl auf meine steifen Glieder. Wie der Blitz sauste ich die Straße lang … genau in dem Moment, als Anacrites’ zwei Spione aus dem Barbierladen traten, wo sie sich den äußersten Zentimeter ihrer Bärte hatten wegstutzen lassen. Ehe ich wußte, wie mir geschah, hatten sie mich abgefangen, und mein linker Fuß klemmte unrettbar unter einer der Riesenflossen fest.
Ich warf mein Bündel nach dem anderen Spion. Dabei muß ihm meine größte Eisenpfanne direkt vor den Hals geknallt sein, denn der Schuft prallte zurück und ließ ein Gebrüll los, das einem in den Ohren weh tat. Der Besitzer der Quanten klebte mir zu dicht auf der Pelle, als daß ich auch ihm einen solchen Schleuderhieb hätte verpassen können. Seine Strategie, ein wehrloses Opfer vollends zu überwältigen, bestand darin, einfach die Passanten um Hilfe anzubrüllen. Da mich von denen aber die meisten kannten, weideten sie sich erst schadenfroh an meiner Misere, und als sie davon genug hatten, lachten sie ihn aus. Ihren Spaß hatten die Leute auch an der Wurstverkäuferin – einem knapp einen Meter großen Weiblein, das furiengleich mit dem Wursttablett über uns herfiel. Ich konnte mich so weit aus der Schußlinie manövrieren, daß Quadratlatsche das Ärgste abkriegte, darunter einen wüsten Schlag mit einem geräucherten Riesenphallus, der dem Kerl den Geschmack an Pfeffersalami für den Rest seines Lebens verdorben haben dürfte.
Indes wich sein Mordspaddel nicht von meinem Fuß. Ich konnte mich nicht richtig wehren, weil ich ja mein Bündel festhalten mußte. Sowie ich es fahren ließ, würde irgendein Tagedieb aus der Regio Dreizehn mit meiner Habe auf und davon rennen und sie an einer Straßenecke verhökern, ehe ich auch nur einmal blinzeln konnte. Also stemmten Plattfuß und ich uns gegeneinander wie Partner in einem Stammesringkampf: er, um mich festzuhalten, ich, um mich freizustrampeln.
Ich sah, wie sein Mitspitzel langsam wieder zu sich kam. Da erschien Lenia, einen großen Waschzuber in die Hüfte gestemmt, um festzustellen, was da vor ihrer Wäscherei für ein Spektakel abging. Als sie mich erkannte, grinste sie höhnisch und kippte den Kessel über dem Halunken aus, den ich mit der Pfanne erwischt hatte: war nicht sein Tag für Haushaltswaren. Als der Wasserschwall mit solcher Wucht über seinen Schädel schwappte, daß ihm die Beine wegknickten, verschaffte ich meinem festgeklemmten Fuß bei seinem Kumpanen gerade so viel Bewegungsfreiheit, daß ich das andere Knie aufwärtsschwenken konnte; wütend zielte ich damit auf einen Körperteil des Kerls, der längst nicht so gut entwickelt war wie seine Füße. Seine Freundin würde mich verfluchen. Der Bursche krampfte vor Schmerz die Zehen zusammen. Ich war frei! Lenia deckte die Wurstverkäuferin mit einem Schwall gottloser Flüche ein. Ich gab Quadratlatsche durch einen Schlag mit meinem Bündel den Rest und zischte ab, ohne mich zu entschuldigen.
Wieder daheim.
Nach dem Tumult auf dem Aventin schien es hier geradezu aberwitzig still.
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