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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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weich.
    Die beiden
Frauen umarmten sich in der Tür. Danach schauten sie einander aus Verlegenheit
nicht an, Esther trat ein, Maxis Mutter nahm ihr die Tasche ab und brachte sie
weg.
    «Warum
Togo?», fragte Esther, als sie einen rot-gelbgrünen Wimpel im
Wohnzimmerfenster hängen sah. Sie hörte Maxis Mutter eine Tür öffnen und kurz
darauf schließen.
    «Die haben
hier ihr Trainingslager.»
    «Ah.»
    «Morgen
beginnt die Weltmeisterschaft, und die Spieler von Togo streiken, weil sie
mehr Geld wollen.» Sie kam ins Wohnzimmer, ein Tablett in den Händen. In der
Tür musste sie sich bücken. Auch die Decke war niedrig. Vielleicht hielt Maxis
Mutter deshalb den Kopf immer ein wenig gesenkt. Der flache Tisch zwischen den Sesseln
und dem Sofa war gedeckt, sie brachte Kaffee, Zucker, Süßstoff und eine kleine
Torte. Sie setzten sich, Esther aufs Sofa, Maxis Mutter in einen Sessel.
    «Könnte
Togo Weltmeister werden?», fragte Esther, um irgendetwas zu sagen.
    «Wäre doch
schön», sagte Maxis Mutter, «Adebayor ist gut.»
    Schweigen.
    Was sagen?
Maxis Mutter sprach zuerst: «Kürzlich hat einer im Café am Markt einen Kaffee
Togo bestellt. Die Kellnerin wusste nicht, was das ist. Der Kunde hat gesagt:
Das steht doch jetzt überall. Dann kamen sie dahinter, dass er Schilder
gesehen hatte, auf denen stand.»
    Sie
lachten.
    Die Stille
danach war nicht besser. Das Wohnzimmer war so eingerichtet, dass es Esther
vertraut vorkam. Ihre Eltern hatten das genommen, was da war, Maxis Mutter
hatte das genommen, was sie sich leisten konnte. Es gab keine große Wahl und
auch kein Bedürfnis, es sich nett zu machen, was ja trotzdem möglich gewesen
wäre. An der Wand hing ein gerahmtes Bild von Maxi in Uniform.
    «Das mit
Ihrer Tochter, mit Maxi, das ist so traurig.»
    «Danke für
Ihren Brief.»
    «Sie hat
immer sehr gut von Ihnen gesprochen.»
    «Das sagt
man so, ja.»
    Esther tat
es leid, dass sie zu dieser Floskel gegriffen hatte. Sie wusste nicht, was sie
sonst sagen sollte. Maxis Mutter schenkte ihr Kaffee ein, hob ein Stück Torte
auf Esthers Teller.
    «Hat sie
wirklich als Holzfällerin gearbeitet?»
    «In
Schweden, ja, drei Monate lang.»
    Bald waren
sie in ein Gespräch über Maxis Leben vertieft. Sie duzten sich jetzt, Esther
fragte, Rosemarie erzählte. Erst saßen sie im Wohnzimmer, dann kochten sie
zusammen in der Küche und saßen danach wieder im Wohnzimmer, diesmal am
Esstisch. Sie aßen Maultaschen und grünen Salat, tranken erst einen Weißwein,
dann Aleatico, einen süßen Likör aus Elba, wo Rosemarie im vergangenen Jahr
Urlaub gemacht hatte.
    Maxis
Vater hatte sie nach vier Jahren verlassen, weil er nichts entscheiden konnte,
und das ertrug Rosemarie nicht. Der Mann verschwand, und sie hatte nicht mehr
das Gefühl, einen zu brauchen, jedenfalls nicht, um ihr Kind zu erziehen. Nach
der mittleren Reife machte Maxi eine Schreinerlehre und ging danach für ein
Jahr auf Reisen. Drei Monate davon hat sie in Schweden Bäume gefällt. «Dann
kam sie zurück und ging zur Bundeswehr», sagte Rosemarie. «Sie wollte immer das
machen, was Männer machen.»
    «Es besser
machen?»
    «Ich
glaube.»
    «Frauen
besser lieben als Männer?»
    «Jeder
denkt das. Sie hatte acht Jahre lang einen Freund, einen Masseur aus
Bulgarien.»
    «Sie hat
nie von ihm gesprochen.»
    «Nachdem
sie das erste Mal in Afghanistan war, ist die Beziehung zerbrochen.»
    «Es ist
schwierig, ja.»
    «Sie
dachte, dass sie eine gute Soldatin sein könne.»
    «Sie war
eine gute Soldatin.»
    «Ich
glaube nicht, dass sie jemanden hätte erschießen können. Sie war weich,
empfindlich, sie wollte nicht schießen, sondern Minen wegräumen. Das ist ein
großer Unterschied.»
    «Warum ist
ihre Beziehung zu dem Masseur zerbrochen, als sie aus Afghanistan zurückkam?»
    «Sie war
in Kabul.»
    «Ich
weiß.»
    «Einmal
ist sie mit den Amerikanern rausgefahren.»
    «Das hat sie
erzählt.»
    «Was hat
sie noch erzählt?»
    «Nicht
viel, sie hat nicht viel erzählt.»
    Rosemarie
stand auf und ging zum Schrank. Sie öffnete eine Schublade, kramte darin herum
und kam mit einem Brief und einer Lesebrille zurück. Sie nahm zwei Blätter aus
dem Umschlag, las und schaute Esther dann über die Brille hinweg an. «Ich
möchte dir etwas vorlesen», sagte sie. «Diesen Brief hat mir meine Tochter aus
Kabul geschrieben. Sie hat nur diesen einen Brief geschrieben, sonst hat sie
angerufen.»
    Rosemarie
senkte den Blick wieder auf die Blätter.
    «Liebe
Mami.»

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