Kurbjuweit, Dirk
Mischung», sagte er.
Sie
schälte gerade eine Litschi, als sein Handy klingelte. Er ging dran, der
letzte Nischen-Verleiher sagte ab. Thilo schluchzte auf, und damit hatte sie
nicht gerechnet. In dem Moment wusste sie, dass es eine Rolle gab für sie in
Thilos Leben, und das waren nicht Jugendlichkeit und Schönheit. Sie fühlte
sich gebraucht. Er redete eine Stunde davon, warum ihm, ausgerechnet ihm nicht
das Glück vergönnt sei, noch einmal einen erfolgreichen Film zu machen, wie es
sich anfühle, so oft gelobt zu werden für seine Filme, von Kollegen, in der
Presse, aber nie mehr als dreißigtausend Leute zu finden, die bereit seien, für
einen seiner Filme Geld zu bezahlen. Sie hörte sich das an, hielt ihn fest,
aber das Entscheidende war das Schluchzen. Gegen dieses Schluchzen würde sie
ihm helfen können, dachte sie.
Sie
arbeitete weiter in der Cincinnatus Bar, zunehmend lustlos. Manchmal ging sie
ins Museum, fragte sich aber, warum sie das alleine tun musste. Sie lief wieder
jeden Tag und war ein bisschen zu dünn, wie sie fand. Sie rief ihre Mutter an
und fragte, was die Fische machten; diesmal war die Antwort kurz, weil ihre
Mutter rasch erzählen musste, dass Esthers Vater eine Vertretung für
Swimmingpools übernommen hatte. Dies war sein vierter Versuch gegen die
Tatenlosigkeit, seitdem er die Arbeit bei der LPG verloren hatte. Hinter dem
Haus, sagte die Mutter, lägen zwei hellblaue Becken, Muster für die Kunden, die
er zu finden hoffte. Esther fragte nicht, warum Leute, die auf einer Insel
wohnen, sich einen Swimmingpool kaufen sollten. Wahrscheinlich war das ein
dummer Gedanke.
Anfang
März machte Thilo das Ruderboot klar, und sie ruderten auf den Wannsee hinaus.
Sie hielt eine Hand ins kühle Wasser und fragte, als sich die Hand wie erfroren
anfühlte, wann er sich entscheiden würde. Er hörte auf zu rudern, legte die
Skulls flach aufs Wasser und sagte, dass er sich den Moment nicht vorstellen
könne, da er vor seine Kinder trete, um zu sagen: Papa zieht jetzt aus.
«Ich
bekomme diese Trennung in Gedanken nicht hin», sagte er. «Ich lebe so, dass in
meinem Kopf Bilder entstehen, und diesen Bildern lebe ich dann nach.»
«Was heißt
das?»
«Ich mache
aus den Bildern Realität. Und wenn ich kein Bild habe, dann folgt auch keine
Realität. Das Bild, in dem ich zu meinen Kindern sage, dass ich jetzt gehe,
entsteht einfach nicht.»
Sie sagte,
dass er sich nicht von den Kindern trennen würde, nur von Greta, da die Kinder
ihren Platz auch in der neuen Familie hätten, einen großen Platz, und am Ende
des Gesprächs hatte sie den Eindruck, dass es Gründe gab, ihre Hoffnung nicht
aufgeben zu müssen. Thilo ruderte sie zurück zum Haus. Greta und sie machten
Gulasch, Thilo kümmerte sich um die Nachspeise, eine weiße Mousse au Chocolat.
Er nahm
sie mit zum Filmfest nach Marrakesch. Eine Koproduktion von ihm lief dort in
einer Nebenreihe. Er stellte ihr ein paar Schauspieler vor, die sie nicht
kannte. Sie lag am Pool oder saß im Schatten von Orangenbäumen. Abends sahen
sie sich Filme an, danach gingen sie tanzen im Club vom Hotel La Mamounia,
zwischendurch bekam sie eine SMS von einer zurückgelassenen Freundin in
Greifswald: «Wo bist du?»
Esther war
überrascht, sie hatte diese Freundin fast vergessen und wusste erst nicht, was
sie antworten sollte. Nichts, dachte sie und löschte die SMS. Dann fand sie
sich arrogant, und weil sie die Nummer noch erinnerte, schrieb sie zurück:
«Marrakesch. Morgen ist schon Schluss.» Das war irgendwie verrutscht, aber
egal, Hauptsache, sie hatte geantwortet.
Am
nächsten Morgen wachte sie auf, weil ihr Handy klingelte. Ein Mann vom
Bundeskriminalamt meldete sich.
«Wo sind
Sie?»
«In
Marrakesch.»
«Was
machen Sie dort?»
Erst jetzt
war sie richtig wach. Warum Bundeskriminalamt? Warum diese Fragen? «Was wollen
Sie von mir?»
«Haben Sie
eine SMS verschickt mit den Worten: Marrakesch. Morgen ist schon Schluss?»
«Ja. Was
soll das?»
«An welche
Nummer?»
Thilo
wurde wach neben ihr und fragte: «Wer ist das?»
«Das
Bundeskriminalamt.»
«Ich
dachte schon, der Bundeskanzler.»
«Nein,
wirklich», flüsterte sie.
«Was?»,
fragte der Mann vom Bundeskriminalamt.
«Nichts»,
sagte Esther.
«Leg auf,
die wollen dich verarschen», sagte Thilo. «An welche Nummer?»
«Was geht
Sie das an?»
Sie legte
auf, schmiss das Handy in den weichen Teppich neben dem Bett und küsste Thilo. Das
Handy klingelte wieder.
«Vielleicht
ist der wirklich
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