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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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Mannstoppwirkung ist nicht
besonders.» Mannstoppwirkung hatte sie auf Deutsch gesagt. Sie wusste nicht,
wie man das auf Russisch ausdrückte.
    «Maastoppwikun?»
    «Mann-stopp-wir-kung.»
    «Maan-stopp-wi-kung.»
    «Genau.»
    «Was heißt
das?»
    «Ob einer
umfällt, wenn er getroffen wurde - oder nicht.»
    Sie
lächelten beide, fanden aber keinen Anschluss an dieses Lächeln und schwiegen
wieder.
    «Es heißt
G 36», sagte sie, «von Heckler & Koch, ein Gasdrucklader mit
Drehkopfverschluss, neun Baugruppen: Gehäuse, Verschluss, Bodenstück,
Stangenmagazin, Trageriemen, Griffstück, Schulterstütze, Handschutz, Tragebügel
mit Visier. Dreißig Schuss, eingeschossen auf zweihundert Meter,
Doppelvisierung. Nach dem Schuss werden die Verbrennungsgase durch Bohrungen im
vorderen Teil des Laufes in die Gasabnahme auf den Gaskolben geleitet. Und
... na ja, egal.» Das hatte sie alles auf Deutsch gesagt. Auf Russisch: «Ich
nehme es mal auseinander für dich.» Schnelle, routinierte Bewegungen. «Die
Besten schaffen es in dreißig Sekunden«, sagte sie, «aber so schnell bin ich
nicht.» Sie setzte das Gewehr wieder zusammen, und dabei fiel ihr das
Stangenmagazin aus der schwitzenden Hand, sie fluchte, hob es auf, machte
fahrig, unwillig weiter. Sie legte das Gewehr auf ihre Oberschenkel, dann
musste sie lachen, laut und hell. Er sah sie irritiert an. «Wir können das
nicht tun», sagte sie. «Nein.»
    «Es tut
mir leid.»
    «Es muss
dir nicht leidtun.»
    «Tut es
dir leid?»
    «Nein.»
    «Warum
hast du es getan?»
    «Warum du?»
    «Ich weiß
nicht.»
    «Du weißt
nicht?»
    «Weißt du
es?»
    «Ich hatte
es mir gewünscht», sagte er.
    Ein
schwaches Klopfen an der Tür, ein Junge kam herein, acht, neun Jahre alt,
schmal, weiches Gesicht. Er stellte sich vor den Schreibtisch und sagte etwas.
Mehsud hielt ihm einen längeren Vortrag.
    Es geht
eben nicht, dachte Esther, es geht einfach nicht. Sie konnte die kleine Störung
bald nicht mehr als kleine Störung verstehen, sondern nahm sie als Beleg für
die Unmöglichkeit. Sie wusste, was jetzt mit ihr passierte, sie kannte das. Es
hatte sie viele Erlebnisse gekostet, aber sie konnte es nicht verhindern. Es
war ein Denken gegen die eigenen Wünsche, ein Fatalismus, der sie dazu trieb,
so zu handeln, dass sie alles zerstörte. Sie begann, sich einen Satz
zurechtzulegen, der diesen Zweck erfüllen konnte, und den sie sagen würde,
sobald diese kleine Ratte verschwunden war:
    Es ist ja
ohnehin sinnlos.
    Bringt
doch nichts.
    Ein Irrtum,
tut mir leid.
    Afghanistan
ist kein Land für so etwas.
    Ich weiß
nicht, was mit mir los war.
    Kleiner
Blackout, sorry, kommt nicht wieder vor.
    Mit einem
Afghanen geht das nicht, glaube ich.
    Sie wollte
gemein sein, verletzen. Sie sah die Gesichter, die sie zu diesen Sätzen
machte, Überlegenheit, Herablassung.
    Mehsud
schrieb etwas auf ein Blatt, das er dem Jungen gab. Er ging, drehte seinen Kopf
dabei kurz zu Esther, ein scheuer Blick in Esthers giftige Augen, dann war er
weg.
    «Was
wollte der Junge?», fragte Esther ungehalten.
    «Das ist
kein Junge.»
    «Ein
Mädchen? Aber Mädchen tragen nicht solche Hosen.»
    «Es ist
auch nicht wirklich ein Mädchen.»
    «Aha.»
    «Es ist
ein Bacha Posh.»
    «Danke,
ein Bacha Posh also. Ich dachte es mir gleich.»
    «Was ist
mit dir?»
    «Könntest
du vielleicht so reden, dass ich dich verstehen kann?»
    «Bacha
Posh heißt
    «Du
meinst, das ist ein Mädchen, das wie ein Junge angezogen ist?»
    «Das meine
ich.»
    «Und
warum?»
    «Die
Eltern von diesem Bacha Posh haben schon zwei Töchter. Sie wurde als drittes
Mädchen geboren, und da hat die Mutter entschieden, dass sie als Junge aufwachsen
soll.»
    «Wie
grausam. Was soll denn das?»
    «Es gibt
einen Aberglauben, dass einem Bacha Posh ein echter Junge folgt. Es hat aber
auch sonst Vorteile. Ein Junge bringt der Familie mehr Prestige als ein
Mädchen, und später kann der Bacha Posh seine Schwestern begleiten, damit sie
nicht in unschickliche Situationen kommen.»
    «Aber
jeder weiß doch, dass dies kein Junge ist.»
    «Es wird
akzeptiert. Bei manchen Menschen auf dem Land gibt es noch die Vorstellung,
dass die Mutter über das Geschlecht der Kinder entscheidet.»
    «Die Natur
entscheidet das.»
    «Ach
wirklich? Hier denken eine Menge Leute, dass die Natur nicht entschieden hat,
dass Frauen Soldaten werden sollen.»
    «Und was
denkst du?»
    «Ich habe
gelernt, dass ein Soldat eine wundervolle Frau sein kann. Ich würde das

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