Kurier
umzubringen.« Er
lächelte.
»Dieser Gedankengang scheint mir logisch. White weiß
also, dass irgendjemand sein Spiel mitspielt, aber er weiß nicht, wer das ist.
Ich glaube nicht, dass er einen so alten klapprigen Mann wie Pedrazzini
ernsthaft verdächtigt, oder?«
»Könnten wir irgendwann Steebens Leiche haben?«, fragte
Grau in die plötzliche Stille hinein. Es klang wie ein Schuss. Dass er zaghaft
ein »Oh, Entschuldigung« anhängte, machte die Sache nicht besser.
Der Alte bewegte ein wenig den Kopf und in seinen Augen
blitzte es auf. »Wozu denn das, mein Sohn?«
»Um zur rechten Zeit Druck zu machen«, sagte Grau dreist.
Pedrazzini überlegte. Dann nickte er knapp. »Warum nicht?
Sagen Sie mir Bescheid, wo und wie Sie den toten Steeben brauchen. Kein
Problem. Also weiter: Was ist, wenn ihr einfach abwartet?«
»Das wird nicht gehen«, widersprach Sundern schnell.
»Weißt du, sie werden kommen, und sie werden nicht reden, sondern einfach
brutal sein. Polen, Russen, was weiß ich. Ich bin wütend, Pedra, sehr wütend!«
Der alte Mann nickte. »Die Welt wird immer brutaler. Sagen
wir so: Wenn mir was einfällt, werde ich anrufen. Einverstanden?«
»Das wäre fantastisch«, sagte Sundern.
»Gut, dann kann ich mich ja jetzt verabschieden. Mach es
gut, mein Sohn. Pass auf dich auf, grüß mir die wunderschöne Meike.«
Sie standen auf und warteten respektvoll, bis sich die
Tür hinter ihm geschlossen hatte.
»Er wird nicht mehr lange leben«, sagte Sundern.
»Man müsste ihm zu Hilfe kommen«, sagte Mehmet.
»Er ist der absolute Meister der Konjunktive«, murmelte Grau.
»Ist er ein Mafiaboss?«
Sundern schüttelte den Kopf. »Nicht die Spur. Er hatte
nur eine wunde Stelle, und White wusste das. White ist das Schwein, nicht Pedra,
nicht Steeben.«
»Thelen, der christliche Überzeugungstäter, spielt auch
mit.« Grau überlegte. »Wo könnten sie den Stoff und das Geld versteckt haben?
Wir wissen nur: Es war vor zehn Tagen. Irgendjemand muss aus diesem
gottverfluchten Hotel mit sechs Koffern herausgekommen sein. Nach menschlichem
Ermessen kann das doch nicht ohne Zeugen funktioniert haben.«
Milan schüttelte den Kopf. »Wo sollen wir Zeugen finden,
Grau? Wir werden uns totsuchen. Wir können abwarten, was jetzt passiert, können
aber auch sagen: Der alte Pedra ist gut und mächtig, also, tun wir ihm einen
Gefallen, dann wird er auch uns einen Gefallen tun.«
»Was heißt das?«, fragte Mehmet misstrauisch.
»Milan ist ganz wild auf schöne Reisen in ferne Länder«,
erklärte Grau grinsend.
»Das habe ich doch geahnt.« Sundern seufzte. »Wir sollten
aber schnell sein und wir sollten Pedra fragen, was er weiß und was er nicht
weiß.«
»Das sollten wir.« Milan setzte ein frommes Gesicht auf.
»Vaya con Dios!«, ermunterte Sundern pathetisch.
Einmal Bogotá und zurück
Merkwürdigerweise war Angela blond.
Sundern hatte mit einer Serie knapper Befehle und Anweisungen
auf sie eingehämmert.
»Ihr habt nur eine Chance: Ihr müsst verdammt schnell
sein! Ihr müsst im Flieger zurück nach Frankfurt sitzen, bevor die in Bogotá
überhaupt begriffen haben, dass die Kleine verschwunden ist! Ihr müsst ankommen
wie Touristen, müsst euch benehmen wie Trottel und müsst zuschlagen wie die
Teufel!
Milan, achte mir auf Grau. Wenn Grau was passiert, dann
ist das so, als wäre es meinem Bruder passiert! Ihr nehmt jeder zehntausend
Dollar in bar mit, müsst aber so aussehen wie deutsche Volksschullehrer, die
jeden Centavo umdrehen, ehe sie sich eine Limonade gönnen.
Viel Zeit habt ihr nicht, ihr könnt nicht tagelang ausbaldowern,
wie ihr die Sache am besten dreht. Ihr müsst kommen und wieder verschwunden
sein und ein gewaltiges Chaos zurücklassen. Denkt daran: Pedra hat gesagt, das
Mädchen ist ständig von einer Gruppe Jugendlicher umgeben. Vergesst nicht, dass
mindestens drei davon nach außen als Studenten auftreten – in Wirklichkeit aber
Agenten der Amis sind!
Und ich verlange eines, Grau: alle vier bis fünf Stunden
anrufen. Egal, was passiert: anrufen!«
Ganz zum Schluss, eher beiläufig, kamen die wichtigsten
Anweisungen: »Verlasst euch nicht auf Dritte! Ihr habt einen Kontakt,
beschränkt euch genau auf den. Kolumbien ist ein fremdes Land, ein armes Land,
und jeder wird versuchen, euch übers Ohr zu hauen. Diese Angela ist ein leichtfertiges,
hübsches Ding. Es gefällt ihr bei ihren Wächtern. Sie kriegt alles an Drogen,
was sie will, sie darf mit jedem
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