Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
Vom Netzwerk:
Er
kroch widerwillig unter einem alten Plymouth hervor und stellte sich vor sie
hin. Er reichte Grau nur bis ans Kinn und sprach in gebrochenem Englisch sofort
auf ihn ein. Ihm fehlten zwei Vorderzähne, deshalb entstand ein zischendes
Geräusch. Er hätte absolut keine Zeit, sagte er.

    »Sie werden Zeit haben müssen«, entgegnete Grau ruhig.
»Ich soll Ihnen herzliche Grüße von Señor Pedrazzini bestellen. Sie sollen uns
helfen, hat Pedra gesagt.«

    »Pedra?« Er schien sich nicht erinnern zu können. Dann
sagte er beiläufig: »Kann sein.«

    Grau schüttelte lächelnd den Kopf. »Kann nicht nur sein.
Sie wurden angerufen: Sie sollen mir helfen. Mein Name ist Grau.«
    »Aha, ja, kann sein.«

    »Gib ihm einen Hunderter, Milan. Nur einen. Vielleicht
erinnert er sich dann schneller. Der Anruf kam vor sechs Stunden. Man sagte
mir, Sie heißen Luiz.«

    »Ich heiße wirklich Luiz.« Er sah den Hundertdollarschein
in Milans Hand. »Ich erinnere mich jetzt wieder. Entschuldigung, ich habe so
viel zu tun. Was wollen Sie? Ein Auto? Ich habe einen prima Camaro hier, den
roten dahinten.«

    »Kein Auto«, sagte Grau. »Gib ihm den Schein, los, sonst
fallen ihm gleich die Augen raus. Kein Auto.«

    »Was dann? Etwas anderes habe ich nicht.«

    »Waffen«, sagte Grau cool.

    »Waffen?« Er schien augenblicklich angeekelt.

    Grau nickte. »Waffen. Wir brauchen einiges. Sie müssten
das eigentlich auf Lager haben.«

    »Sagten Sie Pedra? Sie sagten Pedra. Gut, kommen Sie
mit.« Er ging watschelnd vor ihnen her, er war der einzige Mensch auf diesem
trostlosen Hinterhof. Sie kamen in eine Waschküche, in der eine alte Frau
Wäsche in einem Bottich umrührte, dann passierten sie einen langen Flur und
eine sehr steile Steintreppe in den Keller. Unten stank es wie in einem
Pissoir.

    Sie drückten sich einen schmalen Gang entlang in einen
Raum, dessen Wände ganz mit Brettern beschlagen waren. Auf den Brettern hingen
Werkzeuge.

    »Machen Sie die Tür zu, Señor.« An einer der Wände zog
Luiz an einem Ring. Das Brett glitt nach vorn und schwang dann herum. Die
Rückseite war mit Waffen behängt.

    »Milan!«, stöhnte Grau.

    Milan suchte herum, nahm diese und jene Waffe in die
Hand, schüttelte den Kopf und hängte sie wieder hin. Er entschied sich für zwei
schmale Revolver und sagte: »Das könnte reichen. Aber wir brauchen auch
Blendgranaten.«

    Grau wusste nicht, was das auf Englisch hieß. Er sagte fragend:
»Granate?«

    »Handgranate?«

    »Nein. Licht, grelles Licht. Blendgranate. Ach so, flash! «

    »Aha. Kann sein.« Luiz zerrte eine Holzkiste nach vorn,
Milan bückte sich und sah auf die Beschriftung. »Das geht. Magnesium. Aber dann
wird das Haus brennen.«

    »Es soll von mir aus lichterloh brennen«, murmelte Grau.
Er sah Luiz an und fragte: »Was kostet das?«

    Milan sagte hastig: »Warte mal! Vielleicht weiß er etwas.
Vielleicht weiß er, wie man aus der Stadt herauskommt. Glaubst du, er ist
zuverlässig?«

    »Wir haben keine Zeit, es herauszufinden. Wir haben nicht
einmal die Zeit, das zu diskutieren. Also, Luiz, hören Sie gut zu: Wir wollen heute
Nacht gegen drei Uhr Bogotá verlassen. Dann auch Kolumbien. Wie geht das?«

    »Schiff, Zug, Auto, Bus oder wie?« Luiz nahm Grau nicht ernst.

    »Nein, nein. Schnell, sehr schnell. Hubschrauber oder
kleines Flugzeug.«

    »Aha!« Er schien misstrauisch.

    »Milan«, sagte Grau, »zeig ihm mal so nebenbei einen
Haufen Geld. Dann prüfst du, wie diese Revolver funktionieren. Richtig
schießen. Dann sagst du ihm, wir brauchen noch Munition.«

    »Wenn du meinst«, sagte Milan gutmütig. Er zog ein Bündel
Geldscheine aus der Tasche, es waren sicherlich mehr als zweitausend Dollar. Er
tat so, als suchte er nach etwas anderem und legte die Banknoten wie zufällig
auf den vollkommen verölten Werkstatttisch. Dann hatte er gefunden, was er
suchte, und knurrte befriedigt: »Aha!« Er fuhrwerkte mit dem Zahnstocher in
seinen Zähnen herum und machte ein gänzlich unbeteiligtes Gesicht.

    »Bisschen mehr«, forderte Grau.

    Wieder suchte Milan etwas, förderte ein weiteres Dollarpaket
zutage und legte auch dieses auf den Tisch, die Scheine achtlos zerknüllt wie
Einwickelpapier. Dann griff er in die Brusttasche seines Hemdes, holte
Zigaretten und ein Feuerzeug hervor, zündete sich eine Kippe an, nahm die
Geldhaufen und stopfte sie wieder zurück in seine Jeans.

    Er nahm einen der Revolver, hielt ihn wägend in der Hand,
richtete ihn nach vorn, schwenkte ihn, zielte

Weitere Kostenlose Bücher