Kurier
drehte ihm den Arm
hoch auf den Rücken. »Ich bin ganz friedlich«, sagte er halblaut. »Schieß los:
Welche Sorte Bulle bist du?«
Der Mann atmete pfeifend ein, weil Milan den Druck verstärkte.
»Kein Bulle«, sagte er durch die Zähne.
»Also irgendein Geheimdienst?«, fragte Grau freundlich
dazwischen.
»Auch nicht.« Der Mann beugte sich vor, um dem Druck
auszuweichen.
»Also von wem?«, fragte Milan. »Junge, wir wollen nur in
Ruhe frühstücken und was für unsere Frauen einkaufen. Mach das nicht kaputt.
Sag, was du im Schilde führst, und du kannst gehen.«
»Gretzki schickt mich«, sagte der Mann gepresst. »Er will
mit euch reden.«
»Wir aber nicht mit ihm«, antwortete Milan schnell.
»Moment«, sagte Grau. »Du bist doch gar kein Pole.«
»Muss ich unbedingt Pole sein, bloß weil ich für Gretzki
unterwegs bin?« Er stöhnte. Milans Griff tat ihm offenbar ziemlich weh.
»Das nicht«, gab Milan zu. »Also gut.« Er ließ den Mann
los. »Was will Gretzki?«
»Mit euch reden.«
»Wo ist er jetzt?«, fragte Grau.
»Das weiß ich nicht. Er ruft mich an oder ich ihn.«
»Dann gib uns seine Nummer«, forderte Milan.
»Nichts zu machen«, antwortete der Mann ernsthaft. »Du
kannst mir gern den Arm brechen, ich singe nicht.«
Milan sah ihn sich sehr intensiv an. »Er wird nichts sagen«,
befand er. »Also, was ist? Wann treffen wir Gretzki?«
»Mittags«, sagte Grau. »Sonst haben wir gar kein Privatleben
mehr. Sagen wir: heute Mittag um Punkt ein Uhr in Kempes Wurstbude. Lass ihn gehen, Milan. Ist das recht: ein Uhr Kempes Wurstbude? «
»Wer von euch kommt?«, fragte der Mann.
»Ich und mein Freund hier«, sagte Grau. »Sonst niemand.
Keine Armee, keine Heckenschützen oder Panzer oder Tiefflieger.«
Der Mann grinste matt. »Jemand hat erzählt, du bist immer
gut drauf. Du bist wirklich gut drauf.«
»Bin ich«, nickte Grau.
Sie sahen ihm nach, wie er rasch durch den Torweg davonging.
»Er ist nur ein Botenjunge«, sagte Milan. »Dabei fällt
mir ein: Wir sollten Sundern anrufen. Er muss das mit Gretzki wissen, falls irgendetwas
schiefgeht.«
Grau war einverstanden. »Gut.«
Sie frühstückten ausgiebig in einer Gyros-Bude und tranken
mit Genuss Budweiser.
»Da ist noch etwas.« Milan war unruhig. »Der ganze Trupp
ist bei Mehmet. Das ist nichts anderes als eine große Falle. Wir sitzen da alle
wie auf einem Schießstand. Wenn Gretzki oder Davidoff etwas vorhaben, brauchen
sie uns nicht einmal zu suchen. Sie haben uns alle zusammen wie einen Stall
Karnickel.«
»Das ist richtig«, stimmte Grau ihm zu. »Dagegen sollten
wir etwas tun.« Er rief Sundern an, erreichte ihn aber nicht und berichtete
stattdessen Mehmet von der Einladung Gretzkis. »Sieh zu, was du herausfinden
kannst. Ich möchte wissen, was das für ein Mann ist. Und noch etwas: Wenn du
Meike siehst, sage ihr, sie soll mich bitte kontaktieren.«
»Grau, Junge, geh von der Straße runter. Sie haben Fotos
von dir und Milan.« Mehmet klang sachlich.
»Das wird so sein, aber in eurem Bunker bin ich auch
nicht sicherer. Wir melden uns!«
Er wandte sich an Milan: »Gibt es einen Weg, von hinten in Kempes Wurstbude hineinzukommen? Und
hast du jemanden, der darauf achten kann, dass Gretzki nicht mit einer ganzen
Armee anrückt?«
»Ich rufe Paule an. Paule ist der Wirt, Paule mag mich.
Er wird es einrichten.«
Aber ehe er die Nummer drücken konnte, fiepste das Telefon.
Es war Sundern, der Grau verlangte.
»Hör zu, Jobst. Die haben sich bei den Bullen etwas einfallen
lassen. Sie wollen dich und Milan kassieren. Schutzhaft, sagen sie. Pass also
auf, mein Alter. Falls sie dich erwischen, beharre darauf, dass du mich anrufen
darfst. Sofort. Sie haben keinen Grund, es dir wegen Verdunkelungsgefahr zu
verweigern, sie müssen dich anrufen lassen.«
»Danke, großer Rechtsgelehrter. Bist du einverstanden, dass
ich deine Aussage korrigiere? Statt zehn Prozent Schwarzgelder zwanzig
Prozent?«
Sundern lachte. »Von Fall zu Fall wird das so sein, Bruder.«
Dann war er unvermittelt ernst. »Aber niemals Drogen. Nicht ein einziges Mal in
meinem Leben. Ich habe Drogenleute immer gehasst, frag mich nicht, warum.«
»Ich hab da so ’ne Ahnung«, sagte Grau freundlich. »Das
Leben hat dich nicht immer mit Samthandschuhen angefasst. Drogen haben so etwas
Anrüchiges, so etwas von Abschaum und sozialem Abstieg.«
»Das könnte eine Erklärung sein«, sagte Sundern. »Wenn du
Gretzki triffst, denk dran,
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