Kurier
sein, wie die Leiche des Diplomaten Dr. Ulrich
Steeben, aus Rio kommend, in Frankfurt eintraf. Es handelte sich um einen
Zinksarg, der verplombt in einem kostbaren Eichensarg steckte. Es lag eine
amtliche Bescheinigung der Botschaft in Rio de Janeiro bei, dass es sich hier
um die Leiche des Dr. Ulrich Steeben handelte.
Der Vater von Steeben nahm die Fracht in Empfang und trug
ein düsteres Gesicht zur Schau, was in der Bildunterschrift folgendermaßen
kommentiert wurde: Das Leid des Vaters
wird nur wenig gemildert durch die Tatsache, dass sein Sohn Ulrich ein Mann
war, der in aufopferndem und stillem Dienst für sein Vaterland gestorben ist.
Tatsächlich äußerte der Vater während der blitzschnell
angesetzten Beerdigung in Tübingen in kleiner Runde, er habe nie daran
gezweifelt, dass es bei diesem Sprössling zu einem Ende mit Schrecken kommen
werde. Er war ganz zufrieden damit, den Sarg nicht mehr öffnen zu können und
folglich den Sohn auch nicht mehr sehen zu müssen. Ein ihm ausgehändigtes
Schreiben der Botschaft in Südamerika bat dezent, auf eine ›Besichtigung‹ zu
verzichten.
Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden mich nun fragen,
was denn in diesem Sarg tatsächlich gewesen ist – die Leiche des Sohnes kann es
ja bekanntlich nicht gewesen sein. Nun, ich weiß es nicht, ich vermute aber, dass
man etwas hineingelegt hat, was ungefähr dem Gewicht eines ausgewachsenen
Mannes von Steebens Größe entsprach. Selbstverständlich hatte sich das
Auswärtige Amt des Problems mit all diesen Manövern noch nicht entledigt. Im
Gegenteil: Jetzt ging es erst richtig los.
Es ist verbürgt, dass der siegreiche Referatsleiter im Auswärtigen
Amt ganz beleidigt war, als eine misstrauische Journalistin ihn anrief und
fragte, wie er nun eigentlich die Sache mit den fünfzig Pfund Kokain und zehn
Millionen Dollar in bar erklären wolle, die Steeben angeblich nach Berlin
gebracht hätte. Er entgegnete wütend: »Steeben war nie in Berlin. Bei dem Toten
in Berlin handelt es sich um einen gewissen Markus Schawer oder so ähnlich.«
Sehr ärgerlich erklärte daraufhin die Journalistin: »Erzählen Sie das doch
Ihrer Großmutter!«, und legte auf. Der Referatsleiter verbuchte den Vorgang seufzend
unter ›nicht gewürdigte Aufopferung für dieses Staatswesen‹.
Zur Kenntnis des interessierten Lesers: Beide Referatsleiter
sind nicht mehr im Amt. Der erfolgreiche dient bei gleichem Gehalt im Archiv
des deutschen Gesandten in Washington. Der unterlegene wurde entlassen mit der
Begründung, er habe sich gegen seinen Widersacher nicht richtig durchgesetzt.
Er ist heute in einer liberalen Parteistiftung tätig.
Ein Berliner Stadtmagazin veröffentlichte ein Interview
mit einem Punk aus dem besetzten Haus in der Ostender Straße. Der Junge
behauptete, das ganze Haus wäre von vier Indianern aus Peru systematisch unter
Kokain gesetzt worden. Es wäre dann zu einer wilden Schießerei zwischen den
Indianern und Berliner Gangstern gekommen.
Die Berliner Polizei belächelte diese Darstellung und attackierte
vorlaute Journalisten mit der Gegenfrage: »Wo sind denn diese Peruaner jetzt?
Haben die sich etwa in Luft aufgelöst?« Als Stunden später eine Berliner
Tageszeitung einen recht intelligenten Schluss zog und die Frage stellte: Wollten die Peruaner das Gift und das Geld
des toten Diplomaten?, schüttelten sich Vertreter der Polizei schier aus
vor Lachen und lehnten jede Stellungnahme ab.
Meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestagsausschuss
haben die Chance gehabt, die Affäre klar und kühl auszuleuchten und damit zu
beenden. Sie haben sie nicht wahrgenommen, sie haben im Gegenteil Graus Namen
in den Schmutz getreten, wenngleich dieser Mann, um eine so abgedroschene
Redewendung zu gebrauchen, sich um dieses Land verdient gemacht hat. Grau hat
diesen Einsatz mit Blessuren an Körper und Seele bezahlt.
White habe ich nicht befragen können, denn offiziell war
er nie mit diesem Fall befasst. Offiziell hat er die Bundesrepublik zu diesem
Zeitpunkt nicht betreten, seine Behörde hat energisch dementiert, dass ein
deutscher Journalist namens Jobst Grau in irgendeiner, wie auch immer gearteten
Beziehung zu diesem Geheimdienst stand.
Woher kann ich also so genau wissen, was Grau und White
miteinander gesprochen haben, wenn ich doch White gar nicht fragen konnte?
White musste, wie jeder Agent übrigens, über jedes Treffen
genaue Aufzeichnungen liefern. Er machte Notizen über Uhrzeit, Ort und
Personen, er erwähnte
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