Kurier

festsetzen
und befragen. Sie ziehen mich einfach aus dem Verkehr, sie legen mich lahm.«

    »Wir wollen frühstücken. In Kreuzberg. Geht das?«, fragte
Milan den Fahrer.

    »Und wie!« Der Taxifahrer war jung, hatte sich sechs Tage
lang nicht rasiert und war stolz darauf. »Ich weiß einen Schuppen, da klettert
dir die Wirtin auf den Schoß und füttert dich.«

    »Das hätte ich nicht so gerne«, wehrte Grau schnell ab.
»Irgendwas für anständige Bürger.«

    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie so einer sind?« Der Taxifahrer
grinste vertraulich. »Also was? Griechisch, deutsch, türkisch?«

    »Kurdisch«, sagte Grau. »Gibt es auch kurdisch? Die haben
so einen fantastischen Kebab aus Marsala.«

    Der Unrasierte nickte. »Kurdisch gibt es auch.«

    »Ich meine«, Milan nahm gemütlich seine Erörterungen
wieder auf. »Diese Bullen sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Sie könnten
etwas stricken, nicht wahr? Sie könnten auf die Idee kommen, dass du es warst,
der Nases Bauernhaus in die Luft gejagt hat.«

    »Wie bitte?«, fragte Grau verblüfft.

    »Ich merke, ich bin mit Profis zusammen«, konstatierte
der Taxifahrer und pfiff anerkennend.

    »Wir sind reine Theoretiker«, versicherte Grau ihm grinsend.

    »Ich höre auch nicht mehr zu.« Er kratzte sich unsicher
seinen Bart.

    »Also, wieso soll ich Nases Bauernhaus in die Luft gejagt
haben?«

    »Ich weiß es nicht«, sagte Milan heiter. »Ich weiß nur,
wie Bullen denken. Sie haben keinen Verdächtigen.«

    »Wie die denken, weiß ich auch«, dröhnte der Taxifahrer.
»Und wie ich das weiß!«

    »Ich habe doch Nase gar nicht gekannt«, gab Grau zu bedenken.

    »Das ist doch den Bullen egal«, erwiderte Milan. »Was
ist, wenn sie sagen: Sundern hat Grau zu Nase geschickt?«

    »Das ist doch absurd.« Grau wurde langsam ärgerlich.
»Warum sagst du das alles?«

    Milan grinste. »Du hast gesagt, sie werden dich festsetzen.
Ich frage mich, was sie dir anhängen könnten. Und das mit Steebens Leiche?«

    Grau sah, wie der Fahrer leicht grau wurde, und er sagte
schnell: »Nicht, was Sie denken, guter Mann. Nur Theorie.«
    »Na ja«, sagte der Taxifahrer verunsichert.

    »Das bringt uns nicht weiter«, entschied Grau. »Lass uns
frühstücken, einkaufen, dann sehen wir weiter.«

    »Hier ist der Kurde«, sagte der Taxifahrer etwas verkrampft.
»Vierzehn Mark sechzig.«

    Grau gab ihm einen Zwanzigmarkschein. »Nehmen Sie das
nicht so tragisch. Wir sind aus dem Bestattungsgewerbe.«

    Ein guter Gag. Der Taxifahrer sah ihn an, machte »Häh?«,
gab dann Gas und rutschte vor Schreck von der Kupplung.

    »Da hinten kommt ein zweites Taxi«, sagte Milan ganz
ruhig. »Das fuhr die ganze Zeit hinter uns her.«

    »Ist mir wurscht«, sagte Grau. »Ich will jetzt frühstücken.«

    »Der will auch kurdisch frühstücken«, beharrte Milan.
»Sieh mal, ein ganz Schnittiger. Windschlüpfrig wie nichts, richtig hübsch.«

    »Mir wurscht«, wiederholte Grau störrisch.

    Milan lachte leise und schob ihn zum Eingang des Lokals.
»Du willst nur, dass sich etwas tut. Gib’s zu, Grau.«

    »Ich gebe es zu.«

    Aber zunächst tat sich gar nichts. Der Mann kam hinter
ihnen in das Lokal, war offensichtlich gut gelaunt, begrüßte den Koch hinter
seinen Pfannen und Tiegeln sehr leutselig und setzte sich an einen Einzeltisch,
der schon gedeckt war. Er beachtete sie überhaupt nicht. Der Mann war
vielleicht dreißig Jahre alt, elegant gekleidet und trug am rechten Handgelenk
zwei goldene Kettchen. Sein Gesicht war eine Allerweltsvisage. Grau dachte: Ich
würde mich nie daran erinnern. Der Mann holte ein Telefon aus der Jackentasche,
wählte eine Nummer, wandte sich leicht ab und telefonierte leise.

    »Der ist nicht sauber«, befand Milan nervös. »Wir sollten
das Lokal wechseln.«

    »Was, zum Teufel, soll mir jemand anhaben können?«, fragte
Grau gereizt.

    »Ich bin dein Schatten«, erinnerte ihn Milan. »Ich bin
der, der auf dich aufpasst. Raus hier!«

    Also gingen sie wieder hinaus und blieben auf dem Gehsteig
stehen. Sie sahen, wie der junge Mann aufstand, ihnen nachgehen wollte und dann
zögerte.

    »Er ist nicht sauber. Wir trennen uns. Nächste Einfahrt
in den Hof, du nach rechts, ich nach links.«

    »Aber keine Gewalt«, mahnte Grau und kam sich sofort
lächerlich vor.

    Sie gingen zwanzig Meter und nahmen dann die nächste
Einfahrt bis in den Hinterhof, Grau stellte sich rechts vom Torbogen auf, Milan
links. Als der Mann auftauchte, stieß Milan ihn vorwärts und