Kurier
um den heißen Brei herumreden.«
Thelen war irritiert und starrte White an, als wollte er
protestieren.
In diesem Augenblick richtete Grau sich halb auf und nahm
ganz ungeniert die Kamera aus der Jackentasche, weil sie ihn scheinbar im
Sitzen störte. Er fotografierte dabei sucherlos in den Raum hinein. Er hatte
das oft gemacht und es war noch nie schiefgegangen. Er legte die Kamera auf die
Kante des Schreibtisches, neben dem er saß.
Heiter sagte Grau: »Doktor Thelen, Sie sind beim Bundesnachrichtendienst.
Sie müssen mich nicht darüber informieren, dass Sie in diesem Augenblick
wildern. Das heißt, Sie tun etwas, was Sie eigentlich nicht tun dürfen. Sie mischen
sich in einen inländischen Fall ein. Der Bundesnachrichtendienst hat in dieser
Sache absolut nichts zu suchen. Ich wette, wenn das Bundeskriminalamt hier
jetzt Mäuschen spielen könnte, wären die stinksauer.«
White lachte glucksend, machte eine weit ausholende
Handbewegung. »Also, Robert, sag ihm alles, was er wissen will. Er ahnt, dass
wir Zoff hatten.«
»Aber wieso denn Einzelheiten, verdammt noch mal?«, fragte
Thelen klagend.
»Weil ich auf Abwehr stoßen werde. Ich muss wissen, was
geschehen ist. White, erzählen Sie doch weiter, der ist ja beleidigt.«
»Okay, okay.« White hob die Hand. »Also, wir stehen unter
Zeitdruck und hatten keine Wahl. Meine und Thelens Leute haben gesucht. Dabei
haben sie einen türkischen Gastwirt mit Handschellen an einen Heizkörper
gefesselt. Die Heizung war … na ja, ziemlich heiß. Sie haben einem griechischen
Kleindealer das rechte Schultergelenk gebrochen. Sie haben einen Spezialfahnder
der Berliner Kripo eine Treppe hinuntergeworfen und anschließend sein Auto demoliert.
Sie haben in einer Nachtbar den Barkeeper durch ein geschlossenes Fenster nach
draußen befördert. Zuerst kam eine Beschwerde des Innensenators, dann sonderte
der Regierende ein paar ätzende Worte ab. Wir mussten alle unsere Leute
abziehen. Es war eine Riesenscheiße.«
»Reden wir doch einfach Klartext: Sie hatten nicht nur
Schwierigkeiten, Sie haben sie immer noch!«
»So würde ich es nicht formulieren«, murmelte Thelen.
»Das stimmt«, half ihm White.
»Mit anderen Worten: Die Sache liegt bereits im Bundeskanzleramt!«
Grau lächelte mit schmalen Lippen.
»Ich weiß nicht, ob Sie das in irgendeiner Weise
tangiert«, sagte Thelen aufgebracht. »Sie sind angeheuert, um jemanden zu
finden, sonst nichts.«
»Sie sind arrogant«, konterte Grau. »Zwei Geheimdienste,
die hier absolut nichts zu suchen haben, schnüffeln wie die Geisteskranken in
Berlin herum. Sie vom Bundesnachrichtendienst dürften das gar nicht. Und die
Leute von White dürfen es nur nach Absprache mit den zuständigen deutschen
Behörden, also wenn sie dem Landeskriminalamt in Berlin die Pfötchen gezeigt
haben. Gab es eine Absprache, White?«
»Wir hatten keine Zeit für so einen Scheiß!« Langsam
wurde White auch gereizt. »Ja, da liegen massive Eingaben beim
Kanzleramtsminister. Wir erwarten Scherereien, aber wir können nicht warten,
bis sich die Kollegen wieder eingekriegt haben. Und Sie können als Journalist
vollkommen ungeniert arbeiten, ohne irgendwie aufzufallen.«
»Sie als Journalist werden das kleine Eifersüchteleien nennen«,
sagte Thelen großzügig.
»Ach, hören Sie doch auf, verehrter Bundesnachrichtendienst.
Es gibt eine klare Absprache zwischen Ihnen und dem Bundeskriminalamt: Sie
dürfen Auslandserkenntnisse verwerten und Sie dürfen im Ausland ermitteln. Aber
vom Inland müssen Sie die Flossen lassen, hier müssen Sie an das
Bundeskriminalamt übergeben. Wenn mir in meinem Territorium ständig ein Fremder
über die Füße stolpern würde, wäre ich auch sauer. Sagen Sie mal, was ist das
eigentlich für ein Goldkreuz an Ihrem Revers?«
Thelen trug einen grauen Anzug, ein weißes Hemd, eine
dunkelrote Krawatte. Er berührte mit einer hastigen Bewegung das kleine Kreuz
und räusperte sich. »Ich bin in der katholischen Laienbewegung. Ich bin
Überzeugungstäter.«
»Aha.« Grau bemerkte, wie White ergeben an die Decke
blickte. »Also, jetzt erzählen Sie mir erst mal, ob Ulrich Steeben irgendwelche
Kontakte in Berlin hatte. Und wenn ja, wie die aussahen.«
»Es gibt tatsächlich Kontakte«, gab White zu. »Da ist zunächst
eine Frau … Sie heißt Meike Kern. Ein Wahnsinnsweib. Wir wissen definitiv, dass
sie sich mit Steeben mehrere Male in Berlin traf. Und sie schliefen
miteinander.«
»Haben Sie unterm Bett
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