Kurier
hoch in den Schritt, befestigte sie mit feuerrotem
Klebeband, und Grau versicherte, dass es ausgezeichnet und kleidsam aussähe und
voll im Trend läge.
»Du hast so kalte Hände!«, kreischte Geronimo wie ein
Kind.
Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Geronimo bog in
die Einfahrt, rollte in den Hof, und sie stiegen aus. Sie hatten erwartet, von irgendjemandem
drohend empfangen zu werden, aber es war niemand da. Nur ein junger Mann stand
vor der Haustür im Torweg. »Einer von uns«, sagte Geronimo leise.
»Sie sind alle drin.« Der Junge war blass und ängstlich.
»Ich soll keinen ins Haus lassen. Sie sind durch die Kanalisation gekommen. Sie
sind mit Mehmet und Sundern, mit Meike und der ganzen Familie oben im
Penthouse.«
»Was ist mit den ersten drei Stockwerken?«, fragte Milan
schnell.
»Sie haben alle Telefone aus der Wand gerissen oder zerschlagen.
In jeder Wohnung sind zwei von den Russen, vor den Eingangstüren auch. Ich muss
klingeln, sie haben uns die Plastikkarten für die Türen und den Lift
abgenommen.«
»Dann klingel«, sagte Grau. »Und pass auf, dass du wirklich
niemanden reinlässt.«
Der Junge begann hilflos zu stottern und Geronimo sagte
schnell: »Er will nächste Woche Fatimah heiraten. Sie ist Kindermädchen bei
Mehmet und ist jetzt auch da oben.«
»He, Bruder«, sagte Milan ganz sanft. »Keine Angst, wir
sind doch gekommen. Wir machen alles klar und niemandem wird etwas passieren.«
Der Junge nickte nur und hatte Tränen in den Augen, dann
klingelte er und sagte: »Grau, Geronimo und Graus Milan sind hier.«
»Okay«, quäkte es aus dem Lautsprecher.
Sie warteten auf den Lift, der herunterkam, dann stiegen
sie ein und wurden oben von zwei jungen, sehr ordentlich gekleideten Männern in
Empfang genommen, die höflich waren und sie nur flüchtig durchsuchten. Sie
fanden Milans und Graus Waffen, die Beretta bei Geronimo entdeckten sie nicht.
Die beiden gingen nicht mit in die Wohnung, sie blieben draußen. Im Vorraum
standen zwei weitere, etwas ältere Männer, die zurückhaltend lächelnd grüßten
und sie sofort durchließen.
Möglicherweise ist Davidoff gar kein Drache, überlegte
Grau.
Das große Wohnzimmer war als Versammlungsraum denkbar
ungeeignet, also hatten Davidoffs Männer der besseren Übersicht zuliebe
sämtliche Möbel an die Wand geschoben. In der Mitte, auf einem großen
dunkelroten Teppich, einem Prachtstück aus Aserbaidschan, saßen Mehmet,
Sundern, Meike, eine dicke Frau inmitten von fünf Kindern, drei junge Türkinnen
und Sigrid. Um sie herum, auf allen Sesseln und Stühlen, Davidoffs Männer. Sie
waren gut gekleidet, hatten alle schwere Waffen im Schoß und langweilten sich.
»Ach, du lieber Gott«, sagte Grau fast belustigt.
Milan neben ihm kicherte ganz unverhohlen.
Geronimo dagegen tat etwas sehr Kluges. Er marschierte
schnurstracks auf den großen roten Teppich und setzte sich vor Mehmet. Dann
lächelte er in die Runde.
Wer von den Männern war Davidoff?
»Was lachen Sie?«, fragte jemand links von Grau ganz gelassen.
Der Mann hockte beinahe brav mit geschlossenen Knien auf
einem Stuhl – unbewaffnet. Er mochte vierzig Jahre alt sein, trug einen
dunkelblauen Hut mit sehr breiter Krempe, einen dunkelblauen erstklassigen
Seidenanzug mit einer bunten Krawatte in geradezu abenteuerlich grellen Farben.
Er hatte lange, dunkle Haare und sah aus wie ein russischer
Kinski-Verschnitt. Sein Gesicht war hager und wurde von einer Brille beherrscht,
die sein intellektuelles Aussehen unterstrich. Er wiederholte: »Was lachen
Sie?«
»Sind Sie Davidoff? «, fragte Grau freundlich. »Das heißt, Sie heißen
anders, aber wir nennen Sie Davidoff. Sie sprechen meine Sprache, wie schön.
Ich lache, weil Sie die Frauen auf den Teppich gesetzt haben. Führen Sie Krieg
gegen Frauen?«
Er sah sie alle der Reihe nach an und bemühte sich zu lächeln.
Er fand es aufregend, dass ausgerechnet er jetzt der Wortführer war, wusste
aber auch, dass er Sundern damit eine Pause verschaffte. Meike starrte ihn an
und lächelte. Wahrscheinlich hält sie mich für einen Zauberer und glaubt, ich
könnte die Situation entschärfen.
Der erstaunliche Davidoff hatte einen breiten Mund, sehr
schmale Lippen, und ganz ohne Zweifel lächelte er matt: »Herr Grau, ob Sie es
glauben oder nicht: Diese Teppichrunde da habe ich nicht arrangiert. Ich habe
für so etwas meine Leute. Sie wissen, was ich hier will?«
»O ja«, nickte Grau. »Eine Frage vorab an meinen
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