Kurier
habe mit Sundern mehr Häuser gebaut, als man sich vorstellen kann. Niemals
würde ich auf die Idee kommen, irgendetwas Wichtiges auf einer Baustelle zu
verstecken. Da kommen tagsüber dauernd Leute rein. Wenn du eine Tür abschließt,
ist sie garantiert zwei Tage später aufgebrochen. Nachts schlafen Penner auf
dem Bau und so weiter und so fort.«
»Thelen hat dauernd in Berlin zu tun. Nicht nur für die
Caritas, sondern eben auch im Fall Steeben. Er war dauernd mit White hier,
wohnte immer … Großer Gott, Meike Kern, du hast einen Kerl, der sein Gehirn in
die Hose rutschen ließ. Warum bin ich nicht eher darauf gekommen? Wie konnte
ich das übersehen?« Er tigerte aufgeregt hin und her und kicherte dabei wie ein
Teenager.
»Was ist denn, Grau? Bist du plötzlich übergeschnappt?«
»Quatsch«, sagte er heftig. »Es ist ganz einfach: Das
Zeug war die ganze Zeit über im Hotel und ist niemals woanders gewesen.
Verstehst du? Thelen ist ein Dauergast dort, er braucht sein Zimmer nicht zu
bestellen, es ist immer für ihn reserviert. Hol mir Milan, schnell, bitte.«
Sie kamen in Mehmets Wohnzimmer zusammen: Sundern, Grau,
Milan und Mehmet. Grau erklärte ihnen die Entwicklung. »Wir müssen ins Hotel
und deshalb hier raus, ohne dass auf der Straße irgendein Mensch etwas
bemerkt.«
»Kofferraum«, sagte Geronimo knapp. »Ich fahre euch.«
Der Kofferraum des Wagens war groß genug, sodass sie,
wenn auch wie Heringe in einer Dose eng aneinandergeschmiegt, darin Platz fanden.
Geronimo fuhr schnell, wahrscheinlich hatte er Presseleute auf den Fersen. Nach
einer Weile stoppte er und ließ sie aussteigen.
»In die Tiefgarage des Hotels«, sagte Grau. »Milan, auf
keinen Fall die Waffe gebrauchen! Wenn Thelen dort wohnt und White dort sein
Quartier hat, werden sich auch andere Leute aus dem Stab dort eingenistet
haben. Ich versuche es zunächst mit dem Chefportier.«
»Und wenn der nicht will?«
»Er muss wollen. Thelen nennt sich hier übrigens Schramm
und er hat Zimmer 411. Der Portier muss einfach wollen!«
Geronimo fuhr in die Tiefgarage und stellte den Wagen in
die Nähe des Lifts. »Ich warte, bis ihr fertig seid«, sagte er.
Milan schüttelte den Kopf. »Das Hotelpersonal kann nicht
kontrollieren, ob Thelen im Haus ist. Sie werden uns niemals allein in sein
Zimmer lassen. Und wenn doch, werden sie niemals erlauben, dass wir mit zwei
großen Koffern verschwinden.«
Geronimo trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Er
hat recht, Grau.«
»Also, was sollen wir dann tun, verdammt noch mal?«
Grau war wütend.
»Rauffahren und die Tür eindrücken«, schlug Geronimo vor.
»Genau«, sagte Milan sanft. »Es geht nicht anders, Grau.
Rein, aufbrechen, raus.«
»Und womit?«, fragte Grau.
»Brecheisen«, sagte Geronimo. »Ich habe eines hinten
drin. Ihr habt eben draufgelegen.«
»Also dann«, sagte Grau. »Vierter Stock, Vierhundertelf.«
Sie gingen zum Lift und fuhren nach oben. Es war eine günstige
Zeit, niemand sonst war auf dem endlosen Flur.
»Was machen wir, wenn er im Zimmer ist?«, fragte Grau.
»Wir werden sehen«, beruhigte ihn Milan. »Mach dir keine
Sorgen.«
Dann standen sie vor der Tür und hörten keinen Laut.
»Her mit dem Eisen«, sagte Milan.
Geronimo gab es ihm. Milan setzte es in Höhe des
Schlosses an und drückte die Tür auf. Es war lächerlich einfach. Das Zimmer war
sehr ordentlich und passte gut zu seinem Bewohner. Nichts lag herum.
»Im Bad?« Milan machte die Tür auf. »Hier ist nichts. Da
drüben ist ein großer Schrank.«
»Der ist abgeschlossen«, sagte Geronimo. »Das ist aber
ungewöhnlich in einem Hotel.«
»Aufbrechen«, befahl Milan.
Grau stand am Fenster und dachte verwirrt: Alter Mann, du
musst uns helfen! Lass bitte niemanden kommen.
»Hier sind die zwei Koffer«, sagte Milan ohne jede Betonung.
»Raus damit und ab durch die Mitte.«
»Kommt nicht infrage.« Grau war sehr bestimmt. »Brecht
sie auf. Ich klaue doch nicht zwei Riesenkoffer, von denen ich nicht einmal
weiß, was drin ist.«
»Nerven hat er ja«, sagte Geronimo bewundernd. »Schauen
wir mal nach.«
Sie legten die Koffer aufs Bett und Milan hebelte sie brutal
auf. Tatsächlich: Im einen waren unter einer dicken braunen Wolldecke
Plastikbeutel mit weißem Pulver versteckt, im andern stapelten sich in schmalen
Kartons amerikanische Dollars.
»Da habe ich an langen Winterabenden aber viel zu erzählen«,
bemerkte Geronimo glucksend.
»Raus jetzt!«, befahl
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