Kurier
Grau. »Scheiße, wir haben Fingerabdrücke
hinterlassen!«
»Abwischen«, sagte Milan. »Einfach abwischen. Grau, du
bist unser Abwischer.«
Grau holte ein Handtuch aus dem Bad und polierte damit an
allen Stellen, die sie berührt haben konnten, herum.
Dann lehnten sie die Tür an. Milan und Geronimo nahmen je
einen Koffer auf die Schulter und marschierten den langen Gang entlang Richtung
Lift.
»Jemand muss beten«, sagte Grau matt, es klang sehr ernst.
»Ich bete die ganze Zeit«, sagte Geronimo. »Aber ich weiß
nicht, ob der liebe Gott es auch hört.«
Der Lift kam und sie sanken hinunter in die Garage.
Als sie im Wagen saßen, murmelte Grau: »Ihr seid die
besten Kumpels, die ich je hatte. Jetzt sollten wir vielleicht ein Bier trinken
oder so was. Irgendetwas, was uns entspannt.«
»Und was machen wir solange mit dem Zeug?«, fragte Milan
umsichtig. Sie sahen sich an und begannen zu lachen, erst dann gab Geronimo
Gas.
Milan war heiter. »Sieh mal Grau an, der ist sauer auf
sich selbst.«
»Ich bin wirklich wütend auf mich, weil ich das nicht früher
geschnallt habe. Es ist so einfach: Thelen ist dauernd in Berlin, er hat
ständig dieses Zimmer. Und er war hier, als Steeben ankam.«
»Du musst dich doch mögen, Grau«, sagte Geronimo augenzwinkernd.
»Sieh mal, du hast Meike zweimal aus dem Mist geholt und dann Angela. Und jetzt
haben wir auch noch die ganze Beute. Du bist doch klasse, Grau. Guck mal, ich
habe nur den Intelligenzquotienten eines Staubsaugers, aber ich mag mich.«
Sie lachten.
»Im Ernst«, begann Milan wieder. »Wisst ihr, dass wir mit
fünfzig Millionen Mark am Arsch durch Berlin fahren? Wisst ihr das? Und jetzt?«
»Jetzt zur ARD. Ich brauche Helga Friese und den Kameramann.
Wir müssen das Zeug filmen, es muss noch mit in den Beitrag. Wir haben genau
zwei Stunden bis zur Sendung.«
»Das ist doch verrückt«, stöhnte Geronimo. »Die werden
dich in Stücke reißen, Grau, in sehr viele kleine Stücke.« Dann lachte er, erst
verhalten, dann schallend.
Sie stellten sich auf einen Parkplatz, an dem ein kleines
Schild besagte, hier dürfe nur der Sendeleiter parken. Milan machte sich auf
den Weg. Es dauerte fast dreißig Minuten, ehe er mit Helga Friese und dem
Kameramann aus dem Haus kam.
»Okay«, sagte Grau. »Schnell und einfach. Brauchst du ein
Stativ? Dann hol es.«
»Was soll ich filmen?«
»Das da«, sagte Grau.
Er ließ die Heckklappe des Wagens aufschnappen und
öffnete die Koffer. »Das sind zehn Millionen Dollar in bar und fünfzig Pfund
reines Kokain.«
Helga Friese schlug die Hände vors Gesicht.
»Macht jetzt bloß keinen Lärm«, sagte Grau ganz ruhig.
»Ihr steht vor fünfzig Millionen Mark. Also, was ist? Wollt ihr es filmen oder
nicht?«
»Großer Gott, wie kommentiere ich das denn? Wie sind wir
an diesen Schatz gekommen? Wie begründe ich das?« Helga Friese schüttelte
verwirrt den Kopf.
»Du sagt, dass ich es in einem Hotelzimmer gefunden habe.
Das Hotelzimmer wurde gemietet von einem Herrn namens Schramm, der in
Wirklichkeit der Mann des Bundesnachrichtendienstes, Dr. Robert Thelen, ist.«
»Die kriegen mich wegen Begünstigung dran, Grau«, flüsterte
die Friese. Dann schrie sie den Kameramann an: »Uwe, du Arsch, mach dich sofort
auf die Socken und hole die Kamera. Und kein Wort zu irgendwem!«
»Fasse dich in Nebel. Behaupte schlicht, es sei der ARD
gelungen, Dollars und Rauschgift aufzutreiben und zu filmen. Sag einfach, das
sei der Beweis, dass die sogenannte Berliner Unterwelt nichts mit dem ganzen
Chaos zu tun hat. Du verschweigst unsere Namen. Informantenschutz. So einfach
ist das.«
Der ganze Vorgang dauerte nicht länger als fünf Minuten,
und Grau wies den Kameramann an, das Nummernschild des Wagens besonders lange
zu filmen und vor der Sendung herauszuschneiden.
»Wir brauchen den Beweis, dass wir es tatsächlich
hatten«, sagte er dumpf.
»Und was machst du jetzt mit diesen fünfzig Millionen?«, fragte
die Friese neugierig.
»Das weiß ich noch nicht so genau«, gab Grau zu.
Als sie abfuhren, fragte Geronimo: »Soll ich Sundern Bescheid
geben?«
»Um Gottes willen, nein«, widersprach Grau hastig. »Weiß
der Teufel, ob dich nicht jemand abhört. Langsam, langsam, nichts überstürzen.«
»Wir könnten vielleicht eine Bratwurst essen«, schlug Milan
bescheiden vor. »Ich bin hungrig.«
Also hielten sie am nächsten Kiosk, kauften drei Bratwürste
und hockten sich wieder ins Auto.
»Auf keinen
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