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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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irgendeinen
Menschen um Auskunft bitten, sollten Sie genau beobachten, wer ängstlich ist
und wer ihm diese Angst einjagt. Denken Sie daran: Besorgen Sie sich als Erstes
einen Schatten. Ich bedaure, aber mehr kann ich heute nicht für Sie tun. Jetzt
unterschreiben Sie bitte diese Formulare. Sie bestätigen damit, dass Sie die
Pillen und die Waffe erhalten haben.«

    »Es tut mir leid«, sagte Grau. Er unterschrieb ohne weiteren
Kommentar.

    »Ich bin nicht nur ein Pauker«, sagte der kleine Mann,
»ich bin auch ein Leichenbestatter. Ich muss in aller Welt die Toten
einsammeln, die absolut nicht auf mich hören wollten. Ich möchte Sie nicht in einem
Zinkbehälter aus Berlin ausfliegen, Sie Amateur. Machen Sie’s gut und eine angenehme
Nacht.«
    Er ging tänzelnd hinaus und zog die Tür ganz leise hinter
sich ins Schloss.

Die Arena

    Grau erwachte gegen acht Uhr und fühlte sich wie betäubt. Er
konnte sich nicht erinnern, ob er geträumt hatte. Er bestellte das Frühstück
aufs Zimmer und aß sehr hastig, obwohl er eigentlich gar keinen Grund zur Hast
hatte. Eine halbe Stunde später saß er im Taxi und ließ sich zum Flughafen
fahren. Dort ging er zu AVIS und mietete einen Opel Corsa.

    Wenig später befand sich Grau auf der A 1 und schob sich
gemächlich im Blechchaos auf Dortmund zu. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte
er das Gefühl, wieder etwas gelassener zu sein. Am Kamener Kreuz legte er eine
Pause ein. Er verließ die Autobahn und suchte geduldig nach einem Musikgeschäft.
Er kaufte zwei MCs mit Blues-Songs von Joe Cocker. Gegen Mittag erreichte er Helmstedt
und fuhr langsam durch die ehemaligen DDR-Kontrollanlagen.

    Plötzlich erinnerte sich Grau an dieses beklemmende Gefühl,
das ihn immer überkommen hatte, wenn er den ebenso angstvoll starren wie
aufdringlich sturen Mienen der DDR-Grenzer begegnet war. An einem Kiosk aß er
Würstchen und Frikadellen. In Wirklichkeit war diese Pommesbude ein uralter Wohnwagen.
Grau saß blinzelnd in der Sonne und sah vergnügt einem kleinen Jungen zu, der
offensichtlich dringend pinkeln musste und kein Gebüsch fand. Schließlich
hockte sich der Junge mit Leidensmiene wie ein Mädchen hin, und Grau lachte
schallend.

    An einer Tankstelle kaufte er einen Stadtplan von Berlin,
breitete ihn auf der Motorhaube aus und sah sich aufmerksam seine neue Arena
an. Die günstigste Variante war wahrscheinlich, vom alten Kontrollpunkt
Dreilinden aus stadteinwärts über die Potsdamer Straße, die Berliner Straße und
Unter den Eichen zu fahren. Über diese Achse kam man schnell zum Kurfürstendamm
und konnte ebenso schnell die Stadt wieder verlassen. Am besten schien ihm, in
Berlin-Steglitz unterzukommen.

    Er fuhr bis zum S-Bahnhof Steglitz, dann in die Albrechtstraße,
von dort in die Lauenburger Straße. Es war eine einfache Bewegung, die er stets
wiederholen konnte – keine Einbahnstraße, keine Baustelle, die ihn irritierte.
Eine Querstraße hieß Friedrichsruher Straße. Dort fand Grau an einem vierstöckigen
Haus das Schild Pension, darunter den
Hinweis Inh. Sigrid Polaschke. Er
klingelte und stieg in dem imponierend großen Treppenhaus zwei Stockwerke hoch.

    »Sind Sie Frau Polaschke?«

    »Bin ich.« Die Frau war mollig, gelbblond und schlecht
geschminkt. Sie sah so aus, als könnte sie ein gutes Frühstück machen und wie
ein Mann lachen. Sie roch ein wenig nach schmutzigen Witzen und war genau der
Typ Kuppelmutter, den Journalisten mögen.

    »Ich brauche ein Zimmer mit Dusche«, sagte Grau.

    »Für wie lange denn?«, fragte sie. Sie hatte die Tür nur
einen Spaltbreit geöffnet, sie bat ihn nicht freundlich herein, sie machte
klar, dass sie nicht an jeden Dahergelaufenen vermietete.

    Grau entschied sich: »Erst einmal für drei Wochen. Was
kostet denn das Zimmer mit Frühstück? Ach ja, es sollte nach hinten liegen.«

    »Alle meine Zimmer liegen nach hinten. Das kostet einen
Hunderter pro Nacht inklusive Frühstück mit Ei, Käse und Wurst.«

    »Darf ich das Zimmer mal sehen?«, bat Grau.

    »Wenn Sie wollen«, sagte Sigrid Polaschke. Angenehm war
es ihr nicht. Fünf Uhr nachmittags war nicht ihre Zeit. Sie ging schnell vor
ihm her. »Vertreter?«, fragte sie.

    »Nein«, sagte Grau. Der Flur war dunkel, eigentlich viel
zu dunkel.

    »So, hier isses«, sagte sie und drehte den Schlüssel
herum. Der Raum war groß und hoch und trostlos. In der Ecke war eine
Duschkabine abgeschlagen, sie wirkte wie ein überdimensionaler Schrankkoffer.

    »Das ist gut«, sagte

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