Kurier
kannst in die Stadt. Ist ganz einfach.«
»Sehr einfach«, höhnte Grau. »Ich habe dir doch erzählt, dass
White und seine Leute und sogar der Bundesnachrichtendienst hier
Schwierigkeiten hatten, weil sie illegal gejagt haben. Einverstanden? Wenn mir
also die Behörden signalisieren, dass bei ihnen irgendwie Stunk herrscht,
bekomme ich indirekt die Existenz des Diplomaten Steeben bestätigt. Ist das
richtig?«
Milan grinste. Er zog ein Paket Tabak aus der Tasche und
drehte sich eine Zigarette. »Scheißspiel«, kommentierte er. »Wenn und aber und
hätte. Wie nennt man das? Das ist blöde, das ist …«
»Das ist ein Induktionsschluss, ein Schluss aus einem Schluss,
ein Spielchen, vollkommen nutzlos. Also, wir haben morgen mittag einen Termin
bei Sundern. Was tun wir bis dahin?«
»Wir nehmen Bilder und gehen fragen. Dieser Amerikaner
hat dich hierher geschickt, dass du jemand findest. Also musst du nach dem Mann
fragen. Wir werden erleben, was passiert, oder?«
»Das ist frustrierend.« Grau legte einen neuen Film in
die Kamera ein. »Es gibt nur einen uns bekannten Kontakt. Das ist der zwischen
Sunderns Exfrau und dem verschwundenen Steeben. Oder haben wir …«
»Du musst sie fragen«, sagte Milan. »Wir nehmen das zwar
an, aber wir wissen es nicht.«
»Also könnte diese Meike ihm geholfen haben, mit dem
Zaster und dem Kokain abzutauchen.«
Milan nickte. »Könnte. Frage sie und du wirst mehr wissen.«
»Falls sie mir antwortet.«
»Sie wird es tun, wenn du Druck machst.«
»Gut, du Druckmacher. Wo sind Leute, die wir fragen
können?«
Milan schüttelte den Kopf. »Wir können nicht so einfach
losgehen. Wir haben ein Problem. Unten vor dem Haus steht der junge Mann mit
englischen Schuhen.«
»Warum sagst du das erst jetzt?« Grau war irritiert.
»Er läuft nicht weg«, antwortete Milan gelassen. »Was tun
wir mit ihm?«
»Steht er auf der Straße rum, sitzt er im Auto?«
»Er sitzt in einem Auto vor der Haustür. Schönes Auto.
Lancia Delta.«
»Wie hat er mich gefunden?«
»Als sie dich verprügelt haben, ist er hinter unserem
Taxi her. Ich frage mich, wieso nur ein Mann?«
»Ist das etwa zu wenig?«, fragte Grau aufgebracht.
»Zu wenig«, befand Milan. »Vielleicht soll er herausfinden,
was du tust, wohin du gehst, wen du triffst.«
»Ich werde ihn fragen«, entschied Grau.
»Das ist gut. Ich bin dein Schatten. Geh vor.«
Grau ging die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße.
Der Lancia stand auf der anderen Straßenseite und der blonde Mann am Steuer sah
neugierig zu ihm herüber. Grau überquerte die Fahrbahn, stellte sich neben das
Auto und fragte: »Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
Der Mann hatte ein breites, gutmütiges Gesicht. »Natürlich«,
sagte er mit einem Lächeln.
Grau ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und
setzte sich neben den Mann. »Wieso verfolgen Sie mich?«
»Ich verfolge Sie?« Der Mann sah ihn nicht an, sondern
einfach geradeaus durch die Frontscheibe.
Grau seufzte. »Tun Sie nicht so scheinheilig. Natürlich
sind Sie hinter mir her. Seit gestern. Seit dem Bahnhof Zoo, wahrscheinlich
schon vorher. In Sunderns Klub, erinnern Sie sich? Hat White Sie geschickt oder
Thelen? Oder sind Sie jemand von der Gegenseite?«
»Sie sollten vielleicht einen Arzt aufsuchen.« Der Mann
war erheitert. »Wer sind Sie eigentlich?«
»Ich heiße Grau.«
Milan öffnete die hintere Tür und setzte sich auf die
Rückbank.
»Er meint, ich bin verrückt«, sagte Grau in vorwurfsvollem
Ton. »Was machen wir nun mit ihm?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Milan nachdenklich.
»Das ist irre«, kicherte der Mann.
»Warum stehst du hier?«, fragte Milan.
»Das geht dich nichts an«, sagte der Mann. Er verschränkte
die Arme vor der Brust.
»Gib mir deine Papiere«, forderte Milan.
»Ich habe keine«, sagte der Mann gleichmütig.
»Ich auch nicht«, bekannte Milan. »Aber deine will ich
haben. Und zwar auf der Stelle.«
Der Mann wurde unruhig und entflocht seine Arme.
Grau sah, wie der linke Arm des Mannes an der Seite nach
unten verschwand. »Scheiße!«, fluchte er schrill.
Milan schlug zu, als der Arm mit der Waffe hochkam. Er
traf den Mann seitlich am Ohr. Der Kopf schoss nach vorn und schlug auf den
oberen Bogen des Lenkrades.
»Hör auf!«, sagte Grau heftig.
»Gib mir seine Papiere«, verlangte Milan. »Lass uns mal
sehen, wie der Vogel heißt.«
Grau suchte in den Innentaschen des Jacketts, und als er
das
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