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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Portemonnaie ertastet hatte, zog er es heraus. »Etwas Geld, hundertzwanzig
Mark. Ausweis? Ausweis. Hier. Er heißt Meier, er ist, warte mal, ein Beruf ist
nicht angegeben. Aber Moment, hier ist eine Karte. Konrad Meier, Kaufmann. Mehr
nicht. Völlig nichtssagend.«

    »Gib mir die Knarre«, forderte Milan.

    Die Waffe war in den Fußraum gerutscht. Grau angelte nach
ihr und gab sie zögernd Milan.

    »Nimm seinen Kopf hoch, sonst fallen wir auf. Das Ding
hier ist eine belgische FN. Wird auch von deutschen Bullen benutzt. Ziemlich
handlich, flach, solide.«

    Grau hievte den Mann, der angeblich Meier hieß, hoch und
drückte ihn dann auf den Sitz. »Meinst du, er wird lange bewusstlos sein?«

    »Kann länger dauern«, befand Milan. »Was machen wir
jetzt? Es ist nicht gut, dass der Mann weiß, wo du wohnst. Mach mal das
Handschuhfach auf.«

    Grau öffnete das Handschuhfach. Es war nichts darin außer
einem Colt von der Sorte, wie Hector sie zu verteilen pflegte. »Das ist aber
ein komischer Herr Meier«, murmelte er.

    »Gib mir den«, sagte Milan mit einem Hauch von Aufregung
in der Stimme. »Ich wollte schon immer so ein Ding haben. Wie im Krimi.« Er
grinste. »Also gut, du gehst ins Haus, okay?«

    »Und du?«

    »Nur noch zwei Minuten Arbeit«, sagte Milan.

    Grau gab ihm den Colt, stieg aus, schlug die Tür zu und
überquerte ziemlich zittrig die Fahrbahn. Er blieb in der Haustür stehen und
sah, wie Milan sich an Meier zu schaffen machte, dann ausstieg und sich genüsslich
reckte, als müsste er sich eine überlange Autofahrt aus den Knochen schütteln.
Er umrundete ganz gelassen den Lancia und zerstach mit ein paar schnellen
Bewegungen alle vier Reifen.

    »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Grau.

    »Ich habe ihn nur etwas bequemer hingesetzt. Was machst
du jetzt?«

    »Habt ihr ein Fenster zur Straße hin?«

    »Na sicher. Was willst du machen?«

    »Krach«, sagte Grau. Auf der Treppe drehte er sich zu Milan
herum. »Was hast du wirklich mit ihm gemacht?«

    »Er kam zu sich. Ich … ich bin dein Schatten, ich sichere
dich ab.«

    »Ein Schatten ohne Papiere. Was glaubst du, wie lange
wird er bewusstlos sein?«

    »Er ist nicht bewusstlos, aber er kann nicht aussteigen.
Ich denke, er hat Schmerzen.«

    »Was hast du mit ihm gemacht? Wieso hat er Schmerzen?«

    »Du willst immer so viel wissen, das ist nicht gut. Im
Krieg zählt nur, was vor dir liegt. Welchen Weg du zurückgelegt hast, spielt
keine Rolle, eh?«

    »Wieso Krieg?«, fragte Grau empört.

    »Was ist das hier denn? Etwa kein Krieg?«

    In der Pension stand Sigrid Polaschke auf dem Flur und
starrte ihnen kämpferisch entgegen.

    »Was ist los? Was habt ihr vor?«

    »Ein bisschen telefonieren«, nuschelte Grau und ging an
ihr vorbei.

    »Wir müssen woanders schlafen«, sagte Milan gleichmütig.
»Hier ist es nicht mehr sicher.«

    »Und wieso nicht?« Ihre Stimme wurde vor Aufregung
ziemlich schrill.

    »Ruhe, Ruhe, mein Täubchen. Wir müssen ein bisschen telefonieren.«
Auch er ging an ihr vorbei.

    »Ich brauche ein Berliner Telefonbuch. Schnell«, sagte Grau.
»Halt, zeig mir erst ein Fenster zur Straße raus.«
    Milan rannte vor ihm her ins Wohnzimmer – ein Albtraum aus
rotem Plüsch und goldenen Bordüren.

    »Mach das rechte Fenster auf und zieh die Vorhänge zu.
Das linke Fenster auch. Ich fotografiere mit dem Tele, du nimmst die normale
Kamera.« Er sah hinunter auf die Straße. Ganz unschuldig stand der Lancia im
blauen Dämmerlicht. »Ist er etwa tot?«

    »Nein«, antwortete Milan knapp. »Ich töte nicht, wenn …
Der dort ist kein wichtiger Mann.«

    »Woher weißt du das?«

    »Ein wirklich wichtiger Mann stellt sich nicht mit dem
Auto auf die Straße. Wenn er es doch tut, hat er andere Männer und andere Autos
um sich herum.«

    Grau starrte auf den Mann im Auto, von dem er nur die
linke Schulterpartie erkennen konnte. »Lass uns telefonieren gehen.«

    Er rief nacheinander die Kriminalpolizei, den Verfassungsschutz,
die Boulevardblätter und die Tageszeitungen an. Er sagte leiernd jedes Mal
dasselbe: »Es spielt keine Rolle, wer ich bin: Es geht um die Friedrichsruher
Straße in Steglitz. Da steht ein Lancia Delta Integrale. Dunkelblau. In dem
Wagen sitzt ein Mann, wahrscheinlich bewusstlos. Er kann nicht aussteigen und
nicht weiterfahren. Alle vier Reifen sind durchstochen. Wahrscheinlich ist in
dem Auto eine Bombe versteckt.«

    »Wieso Bombe?«, fragte Milan verblüfft.

    »Sie werden alle kommen, und keiner wird

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