Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
Vom Netzwerk:
Amsterdam
verschwunden ist? Was ist, wenn er überhaupt nicht verschwunden ist, sondern
sein Programm abspult wie geplant? Was ist, wenn sie dich total beschissen
haben, wenn gar nichts von dieser Geschichte stimmt?«

    »Aber es muss doch einen Grund geben, mich für so viel
Geld nach Berlin zu schicken!«

    »Was ist, wenn der einzige Grund ist, dass sie einfach irgendetwas
unternehmen müssen, irgendetwas?«

    »Du machst mich noch verrückt.« Grau sah ihn betroffen
an.

    »Das will ich nicht«, sagte Milan mit schmalen Lippen.
»Ich habe nur gelernt, an nichts zu glauben.« Er holte tief Luft. »Ich will
dich nicht beleidigen. Aber du bist naiv, oder?«

    »Ich muss so sein, um schreiben zu können«, verteidigte
sich Grau.

    »Gut, mag sein, aber sie haben dich nach Berlin geschickt,
um herauszufinden, wo die Musik spielt. Was ist, wenn die Musik in München
spielt oder in Mailand oder in Frankfurt?«

    »Dann streiche ich die Segel und sacke die Knete ein«,
sagte Grau großspurig.

    »Du doch nicht«, widersprach Milan mit einem Kopfschütteln.
»Du willst doch wissen, weshalb sie dich bescheißen.«

    »Das will ich schon«, gab Grau zu. Er fühlte sich elend.

Am Ende des Tunnels

    »Also gut«, sagte Milan. »Ich lasse den Film entwickeln, dann
werden wir sehen.«

    »Was?«, fragte Grau.

    Milan wiegte den Kopf hin und her. »Wir werden sehen, was
zu tun ist. Du kannst nicht einfach warten, oder?«
    »Kann ich nicht«, bestätigte Grau.

    Milan ging hinaus. Grau hörte Sigrid Polaschke auf dem
Flur schimpfen. Sie klang gereizt: »Was heckt ihr wieder aus? Ihr seid wie
Kinder, die man anbinden muss.«

    »Es ist doch nichts, Täubchen«, sagte Milan heiter. Dann
schmeichelte er: »Kochst du uns ein schönes Abendessen?«

    »Das Heimchen am Herd«, sagte sie verächtlich. »Man
sollte euch Steckrüben und trockenes Brot geben.«

    »Nicht so gut.« Milan lachte. »Mach Eier, das gibt
Kraft.«

    Grau stellte sich ans Fenster und starrte in den Hinterhof.
Jemand hatte ein kleines Geviert aus Backsteinen gebaut und mit Erde gefüllt.
Sechs Sonnenblumen standen da, klein und mickrig, aber sie trotzten dem Beton.
Zille, dachte Grau. Jemand kam durch eine schmale Tür aus einem Seitengebäude.
Es war ein sehr alter Mann mit gebeugtem Rücken. Ein Hund strich um ihn herum
und bellte freudig.

    Ein Kind kam auf den Mann zugelaufen, und er legte eine
Hand auf den Kopf des Kindes. Er sagte irgendetwas und lachte. Der Hund, ein
schmaler, schwarzer Mischling, tollte heran, sprang an dem Kind hoch und warf
es um. Das Kind lachte und strampelte mit Armen und Beinen.

    Es ist Sommer, dachte Grau, und ich sitze an dieser
Scheißgeschichte. Dann unvermittelt: Ich wünschte, Eichhörnchen würde noch
leben. Sie könnte mir jetzt helfen. Das stimmte ihn seltsam zuversichtlich.

    Als Milan nach einer Stunde zurückkehrte und die Fotos
von White und Thelen auf den Tisch legte, sagte Grau: »Warum schickt White mich
nach Berlin? Du sagst, dass die Musik wahrscheinlich ganz woanders spielt.
München oder Hamburg, Rom oder Madrid oder was weiß ich. Ist das so richtig?«

    »Ja. Kann so sein.«

    Grau schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Ein
Mann verschwindet samt Geld und Stoff. Warum sollte White mich nach Berlin
schicken, wenn der Mann in Wirklichkeit in München oder Paris abhandengekommen
ist? Du darfst nicht vergessen, dass ich Geld koste, ziemlich viel sogar.
Behörden, auch Geheimdienste, sind verdammt pingelig. Also schickt White mich
nach Berlin, weil ich hier etwas für ihn tun kann. Ich kann unverblümt
rumfragen, ich bin Journalist. Ist das logisch?«

    »Ja«, sagte Milan, »das ist sehr logisch, sehr gründlich,
sehr deutsch. Aber vielleicht falsch. Vielleicht will White, dass du nach
diesem Steeben fragst. Vielleicht will er das wirklich. Aber vielleicht es ist
gar nicht so wichtig, ob du Steeben findest.«

    »Verdammt noch mal. Was soll denn dann wichtig sein?«
Grau war plötzlich wütend.

    »Dass du fragst«, erklärte Milan. »White will wohl nur, dass
du fragst.«

    Eine Weile herrschte Schweigen.

    »Scheiße!« Grau war genervt. »Du bist mir zu klug. Du
gehst mir auf die Nerven.«

    Geduldig sagte Milan: »Ist doch so: Du bist vor einer
kleinen Stadt. Du kannst nicht rein, weil zwei Panzer den Weg versperren. Du
machst einen Trick. Du fragst Frauen, wo der Trinkwasserstaudamm ist. Gut? Der
Feind denkt: Aha, er will den Staudamm in die Luft sprengen! Also zieht er ab
und deckt den Staudamm. Du

Weitere Kostenlose Bücher