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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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kommst du rein. Klingel irgendwo. Sonst
Schraubenzieher. Im Treppenhaus gehst du sofort in den Keller. Ist der verschlossen,
setzt du den Schraubenzieher an und …«

    »Sei nicht kindisch.« Grau war beleidigt. »Du bist zwar
der Soldat, aber deswegen bin ich kein Idiot. Sind die Keller unter den Häusern
miteinander verbunden?«

    »Ich denke, ja. Deutsche Leute sind gründliche Leute.
Brandschutz und Katastrophenschutz verlangen durchgehende Keller. Dazwischen
kann zwar eine Tür sein, aber sie wird dich nicht hindern. Ich mache ganz genau
dasselbe von der Antwerpener Straße aus, klar? Mein Weg wird zwei Häuser länger
sein, also etwa fünf bis zehn Minuten.

    Egal, was passiert: Jeder von uns haut ab, wenn irgendein
Hindernis auftaucht, was er nicht in den Griff kriegt. Keiner unternimmt irgendetwas,
ehe er nicht genau weiß, dass die anderen beiden im Haus sind. Nix Soloauftritte,
klar? Wenn da Kids sind, Penner und andere, ohne Geld, ohne Job, werden sie
jede Nacht lange feiern. Also wacht das Haus erst sehr spät auf. Wenn wir uns
im Haus begegnen, müssen wir so tun, als kennen wir uns nicht.« Er grinste Grau
an. »Jeder ist der Schatten des anderen.«

    »Wirst du schießen?«

    Milan schüttelte den Kopf. »Nein. Im vierten Stock vielleicht.
Jetzt Hammer und Schraubenzieher einstecken, jeder vier Knaller. Sigrid, du
auch. Und denk dran, Täubchen: Wenn du einen anzündest, dann hast du nur ein
paar Sekunden Zeit, um zu verschwinden, und mach die Augen zu.«

    »Was zum Teufel tun wir, wenn die Bullen kommen?«, fragte
Grau.

    »Bullen?« Milans Mund wurde schmal. »Ich wette mit dir, dass
hier schon überall Zivilstreifen rumstehen. Sie warten ab, was Mehmets Leute
tun. Sie werden sich nicht einmischen, außer, Sundern bittet sie darum.«

    »Wann treffen wir uns? Und wo? Im Treppenhaus?«

    »Auf keinen Fall vor acht Uhr«, entschied Milan. »Also:
erstes Treffen Punkt acht im Erdgeschoss vor der Eingangstür. Dann überlegen
wir, wie wir weitermachen. Ist das okay? Noch Fragen?«

    Sigrid zog ihren Trenchcoat aus und stopfte ihn in eine der
Plastiktüten. Sie trug einen scheußlichen weißen Häkelpullover und einen sehr
engen roten Rock, dessen Reißverschluss kaputt war. Sie stakste auf unendlich
hohen feuerroten Schuhen daher, und bevor sie nun losging, verwüstete sie
gekonnt ihr Make-up, indem sie sich mit einem Tempotaschentuch im Gesicht
herumwischte. Sie sah nicht nur betrunken aus, sie bot das perfekte Bild einer
erfolglosen, längst zu alt gewordenen Hure, die nach einer wenig einträglichen
Nacht nur noch einen Wunsch hatte, nämlich ins Bett zu fallen.

    »Hast du Angst, Täubchen?«, flüsterte Milan sanft und
streichelte ihren Kopf.

    »Es geht.« Sie lächelte. »Du bist ja da. Versprich mir, dass
du nicht mutiger bist als unbedingt nötig.«

    »Er wird ein grandioser Feigling sein«, versprach ihr
Grau.

    Sie stöckelte los, machte schon nach zehn Metern eine
sanfte, unübersehbar weite Kurve und summte in übertrieben hoher Tonlage etwas
Romantisches vor sich hin.

    »Du kannst stolz auf sie sein«, sagte Grau anerkennend.

    »Das bin ich auch«, antwortete Milan. »Mach’s gut und
versuche, so schnell wie möglich in das Haus hineinzukommen. Anschließend hast
du Zeit.«

    Grau machte sich auf den Weg. Betont langsam überquerte
er die Fahrbahn und kickte eine Coladose vor sich her. Auf dem
gegenüberliegenden Gehweg angekommen, schlenderte er die Straße hinauf. Er
pfiff vor sich hin und warf einen raschen Seitenblick auf die drei Autos am Straßenrand,
die mit jeweils vier Mann voll besetzt waren. Das waren todsicher Mehmets
Leute.

    Mehmet wird eine ganze Armee hier haben, dachte Grau. Die
Peruaner haben keine Chance, aus dieser Straße unbehelligt wieder rauszukommen,
und Mehmet hat keine Chance, sie eben mal locker außer Gefecht zu setzen.

    Die Männer in den Autos beachteten ihn kaum. Sie musterten
ihn nur beiläufig und rauchten schweigend.

    Schließlich entdeckte er das von Milan beschriebene Haus
und fasste den schweren Schraubenzieher in seiner rechten Jackentasche fester,
aber er brauchte ihn gar nicht. Die Tür war nur angelehnt. Die Klingelschilder
verrieten ihm, dass in jeder Wohnung mindestens drei Parteien hausten, und die
meisten Namen waren lediglich mit Kugelschreiber auf ein Stück Papier gekrakelt.

    Er ging in das Haus hinein, ohne sich umzusehen. Das
Treppenhaus war kühl, eng und dreckig. Auf dem ersten Absatz lagen drei
Fahrradwracks. An die linke Wand

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