Kurier
müssen Gewalt austeilen, schnell und resolut!«
Zora lief vor einer langbeinigen, langhaarigen Blonden
her, die, in Jeans und einem grellroten Shirt, sehr selbstsicher die Treppe
herunterkam.
»Grau«, sagte er. »Hallo.«
»Wir werden geräumt, nicht wahr?«, fragte Mieze lauernd.
Sie sprach leise, misstrauisch.
»Nein«, sagte Grau. »Es geht um ein anderes Problem in
diesem Haus.« Er sah ihre hellen, aufmerksamen Augen und hoffte, dass seine
Geschichte glaubhaft war. »Es geht um Wasser und Strom. Um all das, womit
dieses Haus versorgt wird. Also auch um Müllabfuhr. Kennen Sie den Verwalter
dieses Hauses?«
Mieze stand ein wenig breitbeinig, mit schmalen Augen,
als wäre sie bereit zum Kampf. »Da war mal jemand, das ist so ein, zwei Jahre
her. Wieso Wasser? Wieso Strom?«
Grau grinste. »Die städtischen Versorgungsbetriebe haben
es nicht so gern, wenn zwischen frischen Eiern ein faules liegt. Dann fragen
sie nach, wem es gehört, wer es verwaltet, wer da wohnt. Jedes Mal gibt es
Stunk. Jetzt streiten Sie um Gottes willen nicht ab, dass hier Wasser und Strom
wild angezapft werden. Und noch etwas: Wenn Sie glauben, ich mache diesen Job
gern, dann sind Sie auf dem Holzweg. Vergessen Sie nicht: Wenn wir zwei uns
schnell einig werden, ist das für Sie nur von Vorteil. Mir ist es letztlich
scheißegal.
Also, ich brauche alle Gruppen, die hier hausen. Ich brauche
die genaue Zahl der Wasseranschlüsse, der Gasanschlüsse. Wenn meine Unterlagen
für die Stadtverwaltung komplett sind, dann wird nicht gefragt, und kein
Inspektor taucht hier auf, um Erbsen zu zählen. Ist das klar? Haben Sie denn
die Sprache verloren, verdammt noch mal?« Er stand zwei Stufen unter ihr und
war wirklich wütend. »Ich muss auch wissen, ob statisch wichtige Wände
herausgerissen worden sind, und …«
»Nein, das ist nicht der Fall«, haspelte sie schnell.
»Also, wir können jetzt erst mal bleiben?«
Grau nickte. »Wir werfen Sie nicht raus, wir brauchen nur
die Bestandsaufnahme. Das dauert fünf Minuten. Also: Geht das oder geht das
nicht? Überleg nicht zu lange, Mädchen. Ich bin erstens kinderlieb und zweitens
kenn ich die Schwierigkeiten des Lebens.«
Er wusste genau, dass seine Geschichte ziemlich verrückt
klang, wusste aber auch, dass es eine typische Verwaltungs-Realsatire war. So
etwas hatte er schon erlebt und für die Zeitung darüber geschrieben.
»Wieso esst ihr nicht einfach ein Brötchen zusammen und
qualmt eine?«, fragte Zora begütigend.
Mieze blockte ab. »Ich muss die da oben versorgen, die
werden langsam wach.«
»Also fünf Minuten?«, fragte Grau. »Ich habe Formulare im
Wagen, wir füllen sie aus und alles ist in Butter, okay?«
Mieze war immer noch voller Misstrauen, aber sie stimmte
widerwillig zu. »Machen wir das so.«
»Zora«, sagte Grau, »ich hab mir die Sache überlegt, vielleicht
habe ich doch einen Job für dich und Geri. Wartet auf mich, bitte.« Es sollte
ein Zeichen für Zora sein, zu verschwinden, und er hoffte, sie würde begreifen.
Sie begriff. »Super!«, rief sie und verschwand in der Wohnung
der Penner.
»Wo ist dein Auto?«, fragte Mieze.
»Um die Ecke«, sagte Grau. »Nur fünfzig Meter.« Er ging
langsam einen Schritt vor ihr her, drehte sich zu ihr um und stellte nüchtern
fest: »Weißt du, nachdem ich dieses Haus hier live erlebe, denke ich, dass
diese Stadt knallhart ist, wirklich knallhart. Nix Schnauze mit Herz.«
»Da sagste was«, antwortete Mieze.
»Zora sagte, du hast Peruaner bei dir aufgenommen?«, fragte
Grau leichthin.
»Ja, habe ich. Komische Jungs sind das. Reden kaum ein Wort.
Hängen sich eine Whiskeyflasche an den Hals, saufen sie halb aus, rülpsen
einmal, und das war’s dann. Keine Spur von beschickert. Sie zahlen reinweg
alles, die Bude, den Whiskey, mich.«
»Und Koks«, ergänzte Grau grinsend.
Sie lächelte. »Wer sagt das?«
»Geri und Zora, weil die nichts abgekriegt haben gestern Abend.«
»Dann kriegen die heute was«, sagte sie, und es klang wie
ein ernstes Versprechen. »Der Stoff ist so rein wie Dash drei: Du fährst jubelnd zum Himmel rauf.«
Sie waren jetzt an der Haustür und traten hinaus in die
Sonne.
»Wie kommt man denn an solche Gäste?«, fragte Grau
harmlos.
»Kennst du Nase? Kennst du nicht. Das ist ein Bekannter
von mir. Läuft dauernd wie ein Dackel ohne Puste durch den Kiez. Weiß alles,
kennt alles, kauft alles. Der hat mich gefragt, ob ich mitmache. Zwei oder drei
Tage, hat er gesagt. Er
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