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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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sie werden garantiert bewaffnet sein.
Wir müssen also nach neun Uhr schnell entscheiden. Gut so? Also, alle zurück
auf eure Plätze.«

    Sie trennten sich, Grau stieg vor Sigrid her wieder die
Treppe hinauf. »Riskiere nicht zu viel«, ermahnte er sie. Er ging voraus in den
Wintergarten und bemerkte im Augenwinkel, dass Sigrid sich wieder auf ihre
Decke legte und so tat, als wollte sie weiterschlafen.

    Zora wirkte wie eine gütige kleine Mama, als sie die Brötchen
verteilte, Milch und Wein eingoss. Die Penner waren sehr verlegen.

    Grau dachte: Ich habe nicht mehr viel Zeit, ich muss es
schnell durchziehen. Jetzt sind sie alle noch träge von der Nacht. Die Peruaner
werden irgendwann merken, dass sie eingekreist sind. Sie werden Koks schnupfen
und sich wie Helden aufführen. Dabei werden sie möglicherweise krepieren, weil
sie dafür bezahlt werden. Dabei wird auch Meike draufgehen, weil sie ihnen dann
gleichgültig ist. Ich habe keine Zeit mehr!

    Zora lag jetzt mit geschlossenen Augen auf dem Boden und
wirkte angespannt, Geri rauchte und starrte gleichgültig ins Licht. »Ihr geht
es nicht gut«, sagte er. »Sie hat immer Schmerzen, wenn sie ihre Tage kriegt.«

    »Liebst du sie?«

    »Weiß ich nicht«, sagte Geri. »Vielleicht.«

    »Tut es weh, wenn sie mit einem anderen Macker weggeht?«

    »Ja, manchmal.«

    »Schmierst du mir ein Brötchen mit Leberwurst?«
    »Na sicher«, sagte Geri.

    Grau aß, Geri rauchte, sie schwiegen und starrten vor
sich hin. Die Zeit kroch geradezu.

    Grau überlegte fieberhaft: Wenn ich warte, bis das ganze
Haus wach ist, wird im Treppenhaus zu viel Betrieb sein, ich werde enorme
Schwierigkeiten kriegen. Vor allem, wenn ich Meike erwische und mit ihr türmen
will.

    Dann dachte er an Milans Zeitvorgaben und sank zurück auf
das uralte Kissen, auf dem er hockte. Er wünschte sich eine Dusche. Ich stinke
wie ein Schwein, dachte er! Dann wies er sich selbst zurecht: Du alter Egoist.
Hättest beinahe verdrängt, dass es Milan gibt und Sigrid. Verdammt, sie werden
dafür sorgen, dass alles glattgeht!

    Er fragte beiläufig: »Ich habe neulich gelesen, dass die
Straßenkids hier in Berlin Spaghetti mit Katzen- und Hundefutter essen. Stimmt
das?«

    »Sicher.« Geri nickte. »Sicher. Wir haben das hier auch schon
gemacht. Wenn du Salz und Pfeffer hast, schmeckt es gut. Es ist sauberer als
manche Konserven für Menschen. Das kommt, weil Tiernahrung dauernd kontrolliert
wird. Das schmeckt nicht schlecht. Ein alter Macker hat mir gesagt, dass sie
nach dem Krieg noch viel Schlimmeres gegessen haben. Därme zum Beispiel. Ich
hab gelesen, dass irgendwo auch Menschen Menschen fressen. Heute noch. Aber man
weiß ja nicht, ob das stimmt. Hast du wirklich keinen Job für uns?«

    »Ich denke darüber nach«, versprach Grau. »Was kannst du
denn?«

    »Alles«, sagte er.

    »Was hast du gelernt?«

    »Nichts. Aber ich kann alles und ich arbeite auch alles.«
    »Du willst raus hier, nicht wahr?«

    Geri nickte heftig.

    »Und deine Eltern?«

    »Die sind arbeitslos und saufen. Sie schlagen mich auch.
Zora und ich können als Spüler gehen oder wir arbeiten bei reichen Leuten im
Garten. Wir brauchen auch keine Wohnung, nur Arbeit.«

    »Wo bist du heute Abend?«

    »Am Bahnhof. Du kannst dort nach mir fragen, mich kennen
sie alle.«

    »Ich werde fragen«, versprach Grau. Dann schwiegen sie
wieder.

    Um Viertel vor neun stieß er Zora an und sagte betont
munter: »Ist es denn nicht einfacher, du gehst jetzt Mieze holen und wir machen
die Liste schnell komplett? Ich kann dann abhauen. Ich brauche mein Bett.«

    »Mein Bauch spielt verrückt«, flüsterte sie. »Warum gehst
du nicht selber rauf zu Mieze?«

    Grau war einen Augenblick lang in Versuchung, ihr die Situation
zu erklären, aber dann sagte er grob: »Ich mag einfach keine Peruaner.«

    »Ja, okay«, sagte sie flach und stand auf. »Ich geh Mieze
mal holen.« Sie schlich hinaus.

    »Danke«, sagte Grau. Er stiefelte durch die Wohnung
zwischen den laut miteinander redenden Pennern hindurch. Im Treppenhaus setzte
er sich auf die Stufen, die nach oben führten. Er musste sich zwingen, nicht zu
zapplig zu sein, seine Aufregung wuchs von Minute zu Minute.

    Dann hörte er weiter oben zwei Frauenstimmen. Die eine
Frau sagte aggressiv: »Wieso? Die wollen uns garantiert rausschmeißen.« Dann
die andere: »Nein, sie wollen erst einmal irgendetwas anderes.« Das war Zora.

    Grau stand auf und lehnte sich gegen die Wand. Hector hatte
gesagt: »Sie

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