Kurier
anzurufen?«
Sundern nickte, sagte aber nichts.
Er hat es doch längst selbst beschlossen, dachte Grau,
und zu Meike sagte er: »Wir müssen jetzt mal ganz scharf überlegen, wie diese
Geschichte abgelaufen ist. Das verstehst du doch. Wir sind alle Betrogene. Du
besonders. Du sollst nichts Intimes preisgeben, nichts Persönliches. Nur erzählen,
wie diese Verbindung mit Steeben verlief. Geht das?«
Mein Gott, ich spiele mich auf, als sei ich der Boss
eines Provinztheaters und dies mein großer Auftritt.
»Na klar geht das«, antwortete Meike munter. »Also, ich
lernte Steeben beim alten Pedrazzini kennen. Sundern war dabei.« Sie lächelte.
»Er mochte Steeben von Anfang an nicht. Wahrscheinlich interessierte ich mich
deshalb für ihn. Steeben war ein junger Mann im Kreis um Pedra. Es gab mehrere,
was aber nicht heißen soll, dass Pedra schwul ist.
Steeben erzählte mir, dass er zum Diplomaten ausgebildet
wird. Er sagte auch, er werde damit aufhören und irgendetwas Privates
anstellen, irgendein lohnendes Geschäft. Er war so geldgeil, dass es schon fast
komisch war. Ferien und freie Tage verbrachte er immer bei Pedra. Als Student
hat er eine Kneipe gehabt und als Journalist für Unizeitungen geschrieben. Auch
einen Doktortitel hatte er. Er sagte, er würde demnächst viel in Berlin sein,
und er kam tatsächlich. Das ist ungefähr ein Jahr her. Er wollte unbedingt mit
Sundern zusammentreffen, weil er sagte, Sundern könnte ihm den Start
erleichtern.«
Jetzt lächelte sie nicht mehr. »Aber Sundern wollte nicht.
Steeben kam und besuchte mich in meiner Wohnung. Wir waren kein Liebespaar. Ich
mochte ihn, er mochte mich. Ich könnte in sein Geschäft einsteigen, schlug er
vor. Er würde mit zehn Millionen Dollar und ziemlich viel Koks anfangen. Von
Pedra gestiftet. ›Immobilien sind aber nicht gut‹, sagte ich, ›weil Sundern
schon in Immobilien macht.‹ Er lachte nur. Er benutzte immer häufiger den Namen
Markus Schawer. Unter diesem Pseudonym hatte er als Journalist geschrieben, so
wollte er sich jetzt auch nennen.
Wir machten aus, dass er in Berlin ankommt, ein bisschen
abtaucht, eine große Wohnung mietet und dann geschäftlich loslegt. Er sagte, er
könnte sich in den ersten zwei, drei Wochen kaum um mich kümmern, aber dann
hätte er Zeit genug. Ich sollte in seine Wohnung einziehen, die Frau an seiner
Seite sein … das Maskottchen auf seinem Schreibtisch. Eigentlich ist das schon
alles.«
Sundern sagte nichts. Milan und Geronimo starrten vor
sich hin, Mehmet lächelte höflich.
»Du hast mal erwähnt, er sei brutal gewesen«, hakte Grau nach.
»Ja, ja, er war ein Macho, ein knallharter Macho. Manchmal
wurde er plötzlich wütend, ich verstand das nicht. Er wollte, dass ich … Statt
mich zu bitten, schlug er mich. Einfach so. Dann dachte ich: Nie wieder!«
»War er wirklich so überzeugt, er könnte einfach ins Immobiliengeschäft
einsteigen?«, fragte Sundern ein wenig verwundert.
»Aber ja«, sagte sie. »Natürlich. Er wollte mit dem Koks
und dem Bargeld Eindruck schinden und Leute kaufen.«
»Völlig verrückt«, sagte Sundern verächtlich.
»Wo hat er denn geschlafen? Immer bei dir?«, fragte Grau.
»Nicht immer. Manchmal auch im Hotel. Er war, glaube ich,
in diesem Jahr sechsmal in Berlin. Zweimal war er bei mir, einmal im Hotel, wo
sonst, das weiß ich nicht.«
»Er traf White und Thelen? Das ist sicher?«
»Ja, mindestens zwei- oder sogar dreimal.«
»Du hast sie erlebt. Hatte er Respekt vor ihnen, waren
sie so etwas wie die Chefs? Sprach er bewundernd von ihnen?«
»Nein, er fühlte sich eher gleichberechtigt. Hat aber nie
ihre Namen erwähnt, auch nie gesagt, dass sie Bullen sind. Er sagte nur, sie
seien wichtige Bekannte.«
»Tut es weh, dass er tot ist?«, wollte Grau wissen. Warum
frage ich das? Ich habe kein Recht dazu. Es war ihr Steeben, es war …
Sie antwortete nicht, schüttelte nur energisch den Kopf.
»Hatte er eine Bude, eine Wohnung? Hat er so etwas erwähnt?«,
bohrte Sundern weiter.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich an nichts.«
»Sundern, kannst du nicht verschwinden, einfach abtauchen?«,
fragte Grau.
»Geht nicht. Unmöglich. Ich habe die Betriebe, ich habe
das Büro. Außerdem starren alle auf mich, sie erwarten, dass ich
unerschütterlich wie ein Fels im Memphis hocke. Was glaubst du, Mehmet: Wer wird als Nächster auftauchen?«
»Wahrscheinlich Gretzki«, sagte Mehmet ohne Zögern. »Ein
Pole. Er schafft Rohopium durch
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