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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Gepäck suchen.«

    »Wo vermuten Sie das denn?«

    Grau überlegte einen Augenblick. »Dort, wo niemand auf
die Idee käme, danach zu suchen.«

    »Wo könnte denn so ein Ort sein?«, fragte White unschuldig.
Er schien zu spielen.

    »Ich habe mehrere zur Auswahl«, sagte Grau unverbindlich.
»Machen Sie es gut, ich melde mich wieder. Schöne Grüße auch an den
christlichen Thelen.«

    Milan schmauchte seine Pfeife und sagte behaglich: »Das
schmeckt gut. Ich frage mich, warum er nicht sagt, du sollst aussteigen.«

    »Ich belebe die Szene«, erwiderte Grau leichthin. »Vielleicht
weiß er wirklich nicht, wo Steebens Leiche steckt. Wahrscheinlich hat er auch
keine Ahnung, wo er das Gepäck suchen soll. Oder er hat die Leiche und das
Gepäck und fordert dann die widerlichsten Männer Europas auf, um beides in
Berlin zu kämpfen. Anschließend kassiert er das Bundesverdienstkreuz: ›Keine
Macht den Drogen‹.«

    »He«, sagte Milan, »das gefällt mir, das könnte logisch
sein. Wo sind die Granatwerfer?« Er lachte. »O Mann, wir machen eine Pause. Die
Frauen kochen Essen, ziehen uns warme Pantoffeln an, knöpfen uns langsam das
Hemd auf und streicheln uns dann den Bauch.« Er hob die Augen zur Decke und
verdrehte sie selig.

    Sigrid tänzelte herein, schwenkte eine Riesenschüssel und
sagte: »Kinder, es gibt grünen Salat mit geröstetem Weißbrot und Shrimps. Sehr
viele Shrimps. Und weil es uns so gutgeht, haben wir Austern gekauft. Zum
ersten Mal in meinem Leben habe ich mir die grauen Schlabberdinger genehmigt.

    Ich habe mehr dafür bezahlen müssen, als meine Pension
pro Monat abwirft. Keiner kann sagen, Sigrid hätte sich lumpen lassen. Und für
wen machen wir das! Für diese Scheißmannsbilder. Damit die richtig fit und groß
und stark und weiß der Teufel was werden.« Sie lachte, verschluckte sich, sank
auf Milans Schoß und war glücklich.

    Meike stellte zwei Kerzen auf den Tisch, zündete sie an,
löschte das Licht, und dann hockten sie essend beieinander und erzählten
Geschichten aus ihrem Leben. Sie tranken erst Chablis, anschließend Sekt und
wurden davon langsam albern. Milan erzählte sehr grobe Witze aus dem Krieg,
Sigrid steuerte Geschichten aus einem früheren obskuren Leben bei.

    Meike wollte sich nicht lumpen lassen und berichtete vom
geheimnisvollen Treiben im Memphis.

    Grau amüsierte sich, hatte aber selbst keine Geschichten
mehr auf Lager. Zuweilen dachte er zaghaft: Die Chinesen sagen, dass Glück nur
ein Augenblick ist, niemals ein langwährender Zustand. Ich hoffe, dieser
Augenblick hört nie mehr auf. Er war zuversichtlich und sah beglückt den Abend
auf die Stadt sinken.

    Während sie am Tisch hocken blieben und nicht mehr
aufhören wollten zu erzählen, rief er Sundern an und berichtete von dem
Gespräch mit White. »Ich glaube, er weiß wirklich nicht, wo Steebens Leiche ist.«

    »Das ist mir wurscht«, sagte Sundern. »White ist kein
Partner für mich, weil er auch dann lügt, wenn es nicht notwendig ist. Warum
erzählt er so verrückte Geschichten wie die von seiner Frau und seinen Kindern?
Ich denke, Grau, diese Leute lügen, weil sie lügen müssen. Sie finden die
Wahrheit einfach überflüssig, es sei denn, sie dient ausnahmsweise ihren
Zwecken. Wie geht es denn Meike?«

    »Ich denke, du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen.
Sie lacht und erzählt Geschichten.«

    »Behandle sie gut, sie ist es wert. Sie ist schon zu oft
ausgenutzt worden. Bis dann.«

    »Sag mal, Sundern, bist du eifersüchtig?«

    Sundern überlegte einen Augenblick. »Wahrscheinlich werde
ich das immer sein. Genau wie Papi.«

    Die kleine Runde löste sich auf. Milan spülte, Grau trocknete
ab.

    »Wirst du Sigrid jemals aus Berlin rauskriegen? Nach Kanada?«

    »Ist vielleicht nicht nötig«, sagte Milan. »Du lernst im
Krieg, aus allem was zu machen. Wenn du bedenkst: Ich habe drei T-Shirts für
zwanzig Mark gekauft und das Geld bei Sigrid geliehen. Ich habe jede Mark
aufgeschrieben, die sie mir gepumpt hat. Ich will das nie vergessen.

    Jetzt bin ich plötzlich angestellt als Schatten, kriege
pro Stunde ziemlich viel und esse Austern mit Freunden. Habe ich noch nie. Ich
kenne Geronimo nun besser, ich kenne jetzt Mehmet, kenne Sundern. Ich rauche
deine Pfeife, fahre Mercedes.« Er grinste. »Ich habe ein Telefon ohne Schnur.
Gepumpt, aber ich habe es. Also, warum kann ich nicht zu Sundern gehen und
fragen: Hast du irgendeinen Kiosk für mich? Zeitungen, Zigaretten und Sprudel.
Ich habe

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