Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
Vom Netzwerk:
halber müssen wir nachfragen, wo Sie
am Montagabend waren.«
    »Ich … ich war zu Hause. Ich habe ferngesehen. ›Wer wird Millionär‹
und …«, es zuckte um seine Mundwinkel, »… einen Krimi. Am Montag sehe ich mir
immer diese Soko-Serie an.«
    Martinsen machte einen mitgenommenen Eindruck. Er saß da,
zusammengesunken, mit dunklen Ringen unter den Augen.
    »Am nächsten Morgen«, begann Maria, »als Sie unten am Neckar waren
und die Polizei …«
    »Bitte!«, unterbrach er sie. »Ich habe doch schon alles erzählt. Ich
kann das nicht mehr. Ich kann es wirklich nicht mehr!«
    »Ich möchte nur wiss…«
    »Sobald ich die Augen zumache, sehe ich diese tote Frau vor mir, wie
sie da im Wasser liegt. Es ist grauenhaft!« Martinsen schluckte. »Der Arzt hat
mir geraten, ich soll mal hingehen. Ich soll an den Neckar, zu der Stelle, an
der ich sie gefunden habe, damit ich sehe, dass sie weg ist. Er meinte, vielleicht
würde das Bild dann verschwinden.«
    Hans Martinsen strich sich mit einer fahrigen Geste über die Stirn.
    »Das habe ich auch gemacht. Das heißt, ich habe es versucht. Als ich
den Fluss nur gesehen habe, da fing mein Herz schon an zu rasen. Ich stand da
wie gelähmt. Ich konnte nicht mehr weitergehen, keinen Zentimeter.«
    »Das tut mir leid, Herr Martinsen. Wir müssen auch gar nicht darüber
sprechen, wie Sie die Frau gefunden haben. Eigentlich habe ich nur eine Frage
zu dem, was danach passiert ist.«
    Aber Hans Martinsen schien Maria überhaupt nicht wahrzunehmen.
    »Ihre Haare im Wasser, wissen Sie, wie das aussah? Sie schwammen auf
der Oberfläche wie … wie Schlangen. Es sah aus, als kämen Schlangen aus ihrem
Kopf heraus. Und wenn ich die Augen schließe, wenn ich sie auch nur ganz kurz
zumache, sehe ich es wieder. Diese Haarsträhnen … Wie Wasserschlangen.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.
    »Ich habe dieses Gedicht von ihm gehört, das ständig im Radio kam.
Da ging es um eine Braut. Das kann ja nur die Frau sein, die ich gefunden habe.
Was für ein kranker Mensch muss das sein? Er tötet sie, und dann denkt er sich
so etwas aus. Und mich …«, Herr Martinsen tippte sich an die Brust, »… mich
zieht er in die Geschichte mit rein, dieses Schwein.«
    »Herr Martinsen, ich würde doch noch einmal gerne darauf zu sprechen
kommen, was Sie gesehen haben, als die Leiche schon geborgen war und Sie noch
etwas warten mussten. Ein Mann ist ins Wasser gefallen, vielleicht erinnern Sie
sich?«
    »Ich sehe immer dieses eine Bild vor Augen. Immer nur sie. Alles
andere ist wie unter Watte. Einfach weg. Vielleicht ist es gut so. Ich will
nicht noch mehr Bilder sehen, wenn ich die Augen zumache.«
    Er stand auf und ging zu dem großen Fenster. Im Garten dahinter war
eine kleine Rasenfläche zu sehen, von Büschen umgeben, ein grauer
Springbrunnen, Blumenbeete, so gepflegt, dass sie fast schon steril wirkten.
    Maria hatte Martinsen rundlich und eher klein in Erinnerung gehabt.
Aber nun konnte man sehen, dass er eine stattliche Größe haben musste. Wenn er
sich denn einmal aufgerichtet hätte, statt dazustehen, als warte er mit leicht
gebeugtem Rücken auf den nächsten Schicksalsschlag.
    »Es sieht alles aus wie immer. Als ob nichts passiert wäre. Aber
nur, solange ich die Augen nicht zumache. Wissen Sie, wie das ist, wenn man
nicht mehr schlafen kann? Der Arzt hat gemeint, ich sollte in eine Klinik
gehen, um das alles zu verarbeiten. So eine Psychoklinik. Aber wie soll man so
etwas denn verarbeiten? Indem man es im Garten vergräbt?«
    Ein schwarzer Vogel landete draußen auf dem Grün, legte den Kopf
etwas schräg und schaute neugierig auf das nasse Gras, bevor er auf der Suche
nach einem Wurm eifrig seinen Schnabel in den Boden stieß.
    Maria war sich ziemlich sicher, dass es eine Amsel war. Herrn
Martinsen erinnerte dieser Vogel offensichtlich eher an sein Wappentier.
    »Hans Martinsen, der ewige Unglücksrabe. Das wäre ein guter Spruch
für meinen Grabstein.« Er drehte sich zu ihr um. »Dieser Verbrecher hat mich
auch getroffen. Das ist wie im Krieg. Jemand zielt auf etwas, und das, was
gerade daneben steht, geht leider auch noch mit dabei drauf. Pech gehabt.«
    Es klingelte, Herr Martinsen ging zur Haustür. Maria hörte Mengert,
der nach ihr fragte.
    »Tolles Auto, das Sie da in der Garage haben«, sagte Mengert
bewundernd, als er hinter Martinsen ins Wohnzimmer kam.
    »Ja, das dachte ich auch«, erwiderte Hans Martinsen. »Wenn nur nicht
so viele Reparaturen dran wären.

Weitere Kostenlose Bücher