Kurpfalzblues
hatte. Aber Frau Weinerts konnte nur noch von
einem reden: Der Heidelberger Frauenmörder war an ihrer Tür gewesen.
Inzwischen war sie so weiß wie die Wand. Maria ließ sie nach Hause
bringen und rief auf ihren Wunsch die Tochter an. Frau Weinerts wollte auf
keinen Fall auch nur eine Minute allein in ihrer Wohnung bleiben.
Als sie zurückfuhren, bestand der ewig hungrige Mengert darauf,
irgendwo etwas essen zu gehen. Sie hielten bei einem chinesischen Imbiss kurz
vor der Theodor-Heuss-Brücke. Mengert schaffte es tatsächlich, einen Parkplatz
am Rande der Brückenstraße zu ergattern.
Keine fünf Minuten später saßen sie an einem der Tische, und Mengert
schaute erfreut auf seinen übervollen Teller.
»Mein Gott, die Alte hat sich ja gar nicht mehr eingekriegt.« Er zog
seine Jacke aus und legte sie neben sich auf die rote Sitzbank. »Die braucht
gar keiner umzubringen. Die bekommt bestimmt heute noch einen Herzinfarkt. Und
die Täterbeschreibung: ›Dunkel‹! Echt super!«
Er sortierte die Fleischbällchen auf seinem Teller. »Aber eins ist
wirklich komisch: Wieso steckt der den Brief bei der Alten ein, wenn er schon
einen bei der Szeidel eingeworfen hat? Der weiß doch genau, wo die wohnt.«
»Der Brief war auch nicht für Sarah Szeidel. Der Brief war für uns.«
»Stand aber Sarah Szeidel drauf.« Mengert stopfte sich in den Mund,
was hineinging.
»Und warum bringt er dann die Post zur Nachbarschaft? So wie es
aussieht, weiß unser Täter, dass wir da sind und die Wohnung überwachen. Und
Sarah Szeidels Post. Eine kleine Nachricht für uns aus dem Schattenreich: Hallo,
ich bin nicht blöd!«
Maria legte ihre Gabel wieder hin. Hades hatte ihr mit seinem
Geldgeschenk für Sarah Szeidel gründlich den Appetit verdorben. Die Aktion mit
dem Lockvogel konnte sie abbrechen. In Handschuhsheim würde nichts passieren.
Nicht, wenn der Täter wusste, dass sie dort waren.
»Also, ich finde doch, dass der ziemlich blöde ist.« Mengert wischte
sich etwas Soße vom Kinn. »Schickt schon mal das Fährgeld! Der müsste sich doch
denken können, dass wir die Szeidel jetzt erst recht bewachen wie Queen Mum’s
Kronjuwelen.«
Und außerdem würden sie alle Bewohner der anliegenden Straßen
befragen müssen, ob jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt hatte, ob jemand
gesehen hatte, wer an Frau Weinerts’ Briefkasten gewesen war.
Dass die Polizei Fragen stellte, würde sich bald herumsprechen, und
auch Frau Weinerts, die man um Stillschweigen gebeten hatte, würde
wahrscheinlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles brühwarm
weitererzählen.
Maria konnte sich schon vorstellen, dass das Telefon bei ihnen nicht
mehr stillstehen würde, sobald jemand auch nur den Gemeindebrief austeilte.
Über kurz oder lang würde sich ganz Handschuhsheim in Alarmstimmung befinden.
Völlig richtig: Hades machte es sich mit dieser Aktion nicht
einfacher, an Sarah Szeidel heranzukommen, ganz im Gegenteil.
Aber vielleicht wollte er gerade das? Einen Wettstreit? Genau wie
Arno vermutet hatte?
»Zum Glück weiß er nicht, wo die Szeidel wirklich ist«, sagte
Mengert.
Dein Wort in Gottes Ohr, dachte Maria.
Sie schaute aus dem Fenster. Es war immer noch trüb, aber es hatte
aufgehört zu regnen. Radfahrer fuhren vorbei. Eine Mutter, hinter sich auf dem
Sitz eine kleine Gestalt, die mit ihrer roten Kapuze wie ein Zwerg aussah, dann
ein junges Mädchen, den Fahrradlenker nur mit einer Hand haltend, weil es die
andere für das Handy brauchte.
So viele junge Frauen in Heidelberg.
Was hatte Arno noch gesagt? Wenn die Sache mit Sarah Szeidel nur ein
Ablenkungsmanöver war? Um am anderen Ende der Stadt zuzuschlagen? Wenn Hades
der nächsten Frau gar kein Gedicht schrieb, das sie warnen könnte?
»Apropos Herzinfarkt. Was hat denn Roland eigentlich?« Mengert sah
sie neugierig an. »Arthur hat erzählt, er hätte sich krankgemeldet.«
»Kannst du auch mal fünf Minuten ruhig sein?«
»Schlechte Laune?«
»Nein, aber beim Essen spricht man nicht.«
»Sorry. Das Tischgebet haben wir übrigens auch vergessen.«
Er pickte eines der frittierten Schweinefleischbällchen auf und sah
demonstrativ zum Fernseher, der in einer Ecke hing.
Die Misere Alsberger. Der Streit mit Vera. Ein Thema, das Maria bis
eben erfolgreich verdrängt hatte.
Dass sie Alsberger ihr Protokoll untergeschoben hatte, war wohl
keine Glanzidee gewesen. Ihre Protokolle waren meistens miserabel. Aber wenn
sie zu Ferver gehen würde, um die Sache aufzuklären, würde er
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